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Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783.

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jedermann, der dieses oder jenes etwa nicht
so hoffärtig hatte als er, lustig. Aber izt
kam die Kehr an ihn. Knaben und Töch-
ter lachten ihn izt aus, wenn er immer gleich
hoffärtig vor sie hinstund, und bald diese
bald jene, die seiner nichts wollte, an den
Arm nahm.

Der verstorbnen Kirchmeyer Leutoldin hat
ers bis ins Grab nachgetragen, daß sie ihm
vor einem ganzen Duzend Töchter, da er sie
auch so zutraulich bey der Hand nehmen
wollen, zur Antwort gab: Was willst du
doch mit uns? Ding du z'Krieg; du bist
sonst zu nichts gut.

Lange Zeit gaben ihm izt alle Töchter,
wenn er etwas mit ihnen wollte, diese Ant-
wort: "Was willst du mit uns? Ding du
z'Krieg; du bist sonst zu nichts gut."

Und es wäre ihm sicher dazu gekommen,
daß er das hätte thun müssen, wenn er nicht
an der Weihnacht 1751. ein lebendiges Reh-
böklein gefangen, und dem Junker aufs neue
Jahr für die junge Herrschaft auf Arnburg
gebracht hätte. Durch diesen Umstand hat
er sich im Schloß eingeschlichen, und ist
gar bald wieder zu ganzen Säken voll Geld
und zu aller Hoffart gelangt.

Was
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jedermann, der dieſes oder jenes etwa nicht
ſo hoffaͤrtig hatte als er, luſtig. Aber izt
kam die Kehr an ihn. Knaben und Toͤch-
ter lachten ihn izt aus, wenn er im̃er gleich
hoffaͤrtig vor ſie hinſtund, und bald dieſe
bald jene, die ſeiner nichts wollte, an den
Arm nahm.

Der verſtorbnen Kirchmeyer Leutoldin hat
ers bis ins Grab nachgetragen, daß ſie ihm
vor einem ganzen Duzend Toͤchter, da er ſie
auch ſo zutraulich bey der Hand nehmen
wollen, zur Antwort gab: Was willſt du
doch mit uns? Ding du z'Krieg; du biſt
ſonſt zu nichts gut.

Lange Zeit gaben ihm izt alle Toͤchter,
wenn er etwas mit ihnen wollte, dieſe Ant-
wort: „Was willſt du mit uns? Ding du
z'Krieg; du biſt ſonſt zu nichts gut.“

Und es waͤre ihm ſicher dazu gekommen,
daß er das haͤtte thun muͤſſen, wenn er nicht
an der Weihnacht 1751. ein lebendiges Reh-
boͤklein gefangen, und dem Junker aufs neue
Jahr fuͤr die junge Herrſchaft auf Arnburg
gebracht haͤtte. Durch dieſen Umſtand hat
er ſich im Schloß eingeſchlichen, und iſt
gar bald wieder zu ganzen Saͤken voll Geld
und zu aller Hoffart gelangt.

Was
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[263/0281] jedermann, der dieſes oder jenes etwa nicht ſo hoffaͤrtig hatte als er, luſtig. Aber izt kam die Kehr an ihn. Knaben und Toͤch- ter lachten ihn izt aus, wenn er im̃er gleich hoffaͤrtig vor ſie hinſtund, und bald dieſe bald jene, die ſeiner nichts wollte, an den Arm nahm. Der verſtorbnen Kirchmeyer Leutoldin hat ers bis ins Grab nachgetragen, daß ſie ihm vor einem ganzen Duzend Toͤchter, da er ſie auch ſo zutraulich bey der Hand nehmen wollen, zur Antwort gab: Was willſt du doch mit uns? Ding du z'Krieg; du biſt ſonſt zu nichts gut. Lange Zeit gaben ihm izt alle Toͤchter, wenn er etwas mit ihnen wollte, dieſe Ant- wort: „Was willſt du mit uns? Ding du z'Krieg; du biſt ſonſt zu nichts gut.“ Und es waͤre ihm ſicher dazu gekommen, daß er das haͤtte thun muͤſſen, wenn er nicht an der Weihnacht 1751. ein lebendiges Reh- boͤklein gefangen, und dem Junker aufs neue Jahr fuͤr die junge Herrſchaft auf Arnburg gebracht haͤtte. Durch dieſen Umſtand hat er ſich im Schloß eingeſchlichen, und iſt gar bald wieder zu ganzen Saͤken voll Geld und zu aller Hoffart gelangt. Was R 4

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Zitationshilfe: Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard02_1783/281>, abgerufen am 26.06.2024.