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Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783.

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Der alte Schreiber sah, daß er ihn brau-
chen konnte, und machte gar bald Kamerad-
schaft mit ihm; und wer nun im Schloß
etwas wollte, der wandte sich, wenn er
recht hatte, bey Tag, wenn er unrecht hatte,
bey Nacht an ihn; -- und man verbarg
es nur nicht, daß man im Schloß ausrich-
ten könne, was man wolle, wenn man ihn
zahle. Wer ihn am theursten zahlte, war
der Müller von Grienbach, der gab ihm
seine Tochter dafür, daß er ihm Wein und
Frucht in wohlfeilen Preisen dafür zu Han-
den hielt; dieser Mann machte also aus him-
melschreyendem Geiz seine Tochter zu einem
unglüklichen Weib.

Denn das war sie von der Stund ihrer
Heurath an bis an ihren Tod, der vorge-
stern erfolgt ist.

Sie liegt izt hier -- Staub und Asche
-- Eure Thränen reden Verzeihung für sie,
und mein Herz ist bewegt über ihren Tod.

Friede sey mit ihren Gebeinen, und der
Todtenweker erweke sie einst zum ewigen
Leben!

Aber ihr Vater hat sie dahingegeben zum
Opfer seines Geizes, einem Bösewicht, der
sie nicht liebte, und sie elend machte.

Dieser Vater wird die Leiden ihres Le-
bens aufgeschrieben finden an einem Tag,

an
R 5

Der alte Schreiber ſah, daß er ihn brau-
chen konnte, und machte gar bald Kamerad-
ſchaft mit ihm; und wer nun im Schloß
etwas wollte, der wandte ſich, wenn er
recht hatte, bey Tag, wenn er unrecht hatte,
bey Nacht an ihn; — und man verbarg
es nur nicht, daß man im Schloß ausrich-
ten koͤnne, was man wolle, wenn man ihn
zahle. Wer ihn am theurſten zahlte, war
der Muͤller von Grienbach, der gab ihm
ſeine Tochter dafuͤr, daß er ihm Wein und
Frucht in wohlfeilen Preiſen dafuͤr zu Han-
den hielt; dieſer Mann machte alſo aus him-
melſchreyendem Geiz ſeine Tochter zu einem
ungluͤklichen Weib.

Denn das war ſie von der Stund ihrer
Heurath an bis an ihren Tod, der vorge-
ſtern erfolgt iſt.

Sie liegt izt hier — Staub und Aſche
— Eure Thraͤnen reden Verzeihung fuͤr ſie,
und mein Herz iſt bewegt uͤber ihren Tod.

Friede ſey mit ihren Gebeinen, und der
Todtenweker erweke ſie einſt zum ewigen
Leben!

Aber ihr Vater hat ſie dahingegeben zum
Opfer ſeines Geizes, einem Boͤſewicht, der
ſie nicht liebte, und ſie elend machte.

Dieſer Vater wird die Leiden ihres Le-
bens aufgeſchrieben finden an einem Tag,

an
R 5
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[265/0283] Der alte Schreiber ſah, daß er ihn brau- chen konnte, und machte gar bald Kamerad- ſchaft mit ihm; und wer nun im Schloß etwas wollte, der wandte ſich, wenn er recht hatte, bey Tag, wenn er unrecht hatte, bey Nacht an ihn; — und man verbarg es nur nicht, daß man im Schloß ausrich- ten koͤnne, was man wolle, wenn man ihn zahle. Wer ihn am theurſten zahlte, war der Muͤller von Grienbach, der gab ihm ſeine Tochter dafuͤr, daß er ihm Wein und Frucht in wohlfeilen Preiſen dafuͤr zu Han- den hielt; dieſer Mann machte alſo aus him- melſchreyendem Geiz ſeine Tochter zu einem ungluͤklichen Weib. Denn das war ſie von der Stund ihrer Heurath an bis an ihren Tod, der vorge- ſtern erfolgt iſt. Sie liegt izt hier — Staub und Aſche — Eure Thraͤnen reden Verzeihung fuͤr ſie, und mein Herz iſt bewegt uͤber ihren Tod. Friede ſey mit ihren Gebeinen, und der Todtenweker erweke ſie einſt zum ewigen Leben! Aber ihr Vater hat ſie dahingegeben zum Opfer ſeines Geizes, einem Boͤſewicht, der ſie nicht liebte, und ſie elend machte. Dieſer Vater wird die Leiden ihres Le- bens aufgeſchrieben finden an einem Tag, an R 5

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Zitationshilfe: Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783, S. 265. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard02_1783/283>, abgerufen am 24.11.2024.