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Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783.

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den Unterscheid der Zeit und Stund, wenn
diese oder jene Sache für Ja oder für Nein
dem Junker mußte vorgebracht werden, und
war der Umständen Meister, eine jede Sa-
che in dem Augenblik vorkommen zu machen,
der, zu dem, was er wollte, günstig war.

Wenn er etwas hintertreiben wollte, so redte
er oft noch gar viel dafür, aber so dumm,
und verkehrt, daß er sicher war, daß es just
das Gegentheil wirke.

Wenn er hingegen etwas erzwingen woll-
te, so redte er mehrentheils gar nicht dafür,
aber er machte andere dafür reden, und lenk-
te hundert Umstände ein, die, was er woll-
te, befördern, und was er nicht wollte, ver-
hindern mußten. --

Z. E. Da vor 4. Jahren die Elsbeth
Müller wider des Vogts Sohn von Ryn-
halden klagte, und ein Eheversprechen vor-
wies, und der Junker wider des wohlachtba-
ren Herrn Untervogts Sohn gar aufgebracht
war, ließ der Vogt wie aus unverdachtem
Muth den Chorgerichts-Bußenrodel dem
Junker auf dem Tisch liegen, und just die-
jenige Seiten darinn offen, in welcher eine
Elsbeth Müller wegen nächtlichem Herum-
ziehen und verbottenem Tanz um 5. Pfund
gestraft worden. -- Es war freylich eine
ganz andere, das aber machte nichts.

Da
T 2

den Unterſcheid der Zeit und Stund, wenn
dieſe oder jene Sache fuͤr Ja oder fuͤr Nein
dem Junker mußte vorgebracht werden, und
war der Umſtaͤnden Meiſter, eine jede Sa-
che in dem Augenblik vorkommen zu machen,
der, zu dem, was er wollte, guͤnſtig war.

Weñ er etwas hintertreiben wollte, ſo redte
er oft noch gar viel dafuͤr, aber ſo dumm,
und verkehrt, daß er ſicher war, daß es juſt
das Gegentheil wirke.

Wenn er hingegen etwas erzwingen woll-
te, ſo redte er mehrentheils gar nicht dafuͤr,
aber er machte andere dafuͤr reden, und lenk-
te hundert Umſtaͤnde ein, die, was er woll-
te, befoͤrdern, und was er nicht wollte, ver-
hindern mußten. —

Z. E. Da vor 4. Jahren die Elsbeth
Muͤller wider des Vogts Sohn von Ryn-
halden klagte, und ein Eheverſprechen vor-
wies, und der Junker wider des wohlachtba-
ren Herrn Untervogts Sohn gar aufgebracht
war, ließ der Vogt wie aus unverdachtem
Muth den Chorgerichts-Bußenrodel dem
Junker auf dem Tiſch liegen, und juſt die-
jenige Seiten darinn offen, in welcher eine
Elsbeth Muͤller wegen naͤchtlichem Herum-
ziehen und verbottenem Tanz um 5. Pfund
geſtraft worden. — Es war freylich eine
ganz andere, das aber machte nichts.

Da
T 2
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[291/0309] den Unterſcheid der Zeit und Stund, wenn dieſe oder jene Sache fuͤr Ja oder fuͤr Nein dem Junker mußte vorgebracht werden, und war der Umſtaͤnden Meiſter, eine jede Sa- che in dem Augenblik vorkommen zu machen, der, zu dem, was er wollte, guͤnſtig war. Weñ er etwas hintertreiben wollte, ſo redte er oft noch gar viel dafuͤr, aber ſo dumm, und verkehrt, daß er ſicher war, daß es juſt das Gegentheil wirke. Wenn er hingegen etwas erzwingen woll- te, ſo redte er mehrentheils gar nicht dafuͤr, aber er machte andere dafuͤr reden, und lenk- te hundert Umſtaͤnde ein, die, was er woll- te, befoͤrdern, und was er nicht wollte, ver- hindern mußten. — Z. E. Da vor 4. Jahren die Elsbeth Muͤller wider des Vogts Sohn von Ryn- halden klagte, und ein Eheverſprechen vor- wies, und der Junker wider des wohlachtba- ren Herrn Untervogts Sohn gar aufgebracht war, ließ der Vogt wie aus unverdachtem Muth den Chorgerichts-Bußenrodel dem Junker auf dem Tiſch liegen, und juſt die- jenige Seiten darinn offen, in welcher eine Elsbeth Muͤller wegen naͤchtlichem Herum- ziehen und verbottenem Tanz um 5. Pfund geſtraft worden. — Es war freylich eine ganz andere, das aber machte nichts. Da T 2

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Zitationshilfe: Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783, S. 291. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard02_1783/309>, abgerufen am 21.11.2024.