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Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783.

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Diese Schamloßigkeit in unsrer Mitte,
ist vielleicht das gröste und unheilbarste Un-
glük, welches der Vogt in seinem Leben bey
uns veranlaßet. Jch eile weiter.

So wie er alles, was bös und schädlich
und verderblich war, that, so hintertrieb er
alles, was gut und nuzlich war.

Er wollte nie zugeben, daß man den
Schuldienst verbessere, und sagte darüber:
es seye just nicht nöthig, daß ein jeder Bät-
telbub besser schreiben und lesen könne, als
er. --

Er hinderte immer, Gras-Einschläge auf
den Feldern zu machen, und da man ihm
vorstellte, das Dorf würde dadurch doppelt
so viel Vieh erhalten, und dann natürlich
um so viel mehr magere Aeker misten und
bauen können, gab er zur Antwort: Es seye
eben nicht nöthig, daß alles so reich werde,
so lang er lebe, handle er gern mit wohlfei-
len Aekern, und das würde grad aufhören,
wenn ein jeder misten könnte, so viel er woll-
te -- und wenn er tod seye, so sey es ihm
gleichviel, ob seine Güter viel oder wenig
gelten. --

Er hinderte auf alle Weise, daß nie kei-
ne Fremden sich im Dorf sezen konnten --
wenn es schon Ehrenleute waren, und auf-
fiel, daß sie Geld und Verdienst ins Dorf

brin-

Dieſe Schamloßigkeit in unſrer Mitte,
iſt vielleicht das groͤſte und unheilbarſte Un-
gluͤk, welches der Vogt in ſeinem Leben bey
uns veranlaßet. Jch eile weiter.

So wie er alles, was boͤs und ſchaͤdlich
und verderblich war, that, ſo hintertrieb er
alles, was gut und nuzlich war.

Er wollte nie zugeben, daß man den
Schuldienſt verbeſſere, und ſagte daruͤber:
es ſeye juſt nicht noͤthig, daß ein jeder Baͤt-
telbub beſſer ſchreiben und leſen koͤnne, als
er. —

Er hinderte immer, Gras-Einſchlaͤge auf
den Feldern zu machen, und da man ihm
vorſtellte, das Dorf wuͤrde dadurch doppelt
ſo viel Vieh erhalten, und dann natuͤrlich
um ſo viel mehr magere Aeker miſten und
bauen koͤnnen, gab er zur Antwort: Es ſeye
eben nicht noͤthig, daß alles ſo reich werde,
ſo lang er lebe, handle er gern mit wohlfei-
len Aekern, und das wuͤrde grad aufhoͤren,
wenn ein jeder miſten koͤnnte, ſo viel er woll-
te — und wenn er tod ſeye, ſo ſey es ihm
gleichviel, ob ſeine Guͤter viel oder wenig
gelten. —

Er hinderte auf alle Weiſe, daß nie kei-
ne Fremden ſich im Dorf ſezen konnten —
wenn es ſchon Ehrenleute waren, und auf-
fiel, daß ſie Geld und Verdienſt ins Dorf

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[304/0322] Dieſe Schamloßigkeit in unſrer Mitte, iſt vielleicht das groͤſte und unheilbarſte Un- gluͤk, welches der Vogt in ſeinem Leben bey uns veranlaßet. Jch eile weiter. So wie er alles, was boͤs und ſchaͤdlich und verderblich war, that, ſo hintertrieb er alles, was gut und nuzlich war. Er wollte nie zugeben, daß man den Schuldienſt verbeſſere, und ſagte daruͤber: es ſeye juſt nicht noͤthig, daß ein jeder Baͤt- telbub beſſer ſchreiben und leſen koͤnne, als er. — Er hinderte immer, Gras-Einſchlaͤge auf den Feldern zu machen, und da man ihm vorſtellte, das Dorf wuͤrde dadurch doppelt ſo viel Vieh erhalten, und dann natuͤrlich um ſo viel mehr magere Aeker miſten und bauen koͤnnen, gab er zur Antwort: Es ſeye eben nicht noͤthig, daß alles ſo reich werde, ſo lang er lebe, handle er gern mit wohlfei- len Aekern, und das wuͤrde grad aufhoͤren, wenn ein jeder miſten koͤnnte, ſo viel er woll- te — und wenn er tod ſeye, ſo ſey es ihm gleichviel, ob ſeine Guͤter viel oder wenig gelten. — Er hinderte auf alle Weiſe, daß nie kei- ne Fremden ſich im Dorf ſezen konnten — wenn es ſchon Ehrenleute waren, und auf- fiel, daß ſie Geld und Verdienſt ins Dorf brin-

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Zitationshilfe: Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783, S. 304. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard02_1783/322>, abgerufen am 21.11.2024.