Das war ein Mannli -- sagte dann der Vogt. Jch habe es aus seinem eigenen Mun- de, daß er an der Folter wie darvor und darnach immer sich besizen und denken könn- te, Nein, gehe so geschwind zum Maul her- aus als Ja.
Jch muß wohl nicht sagen, wie durch solche geheime Lenkung und Verdrehung des Rechts, die Herzensverhärtung unter uns ein- gewurzelt, die unser Elend auf den höchsten Gipfel gebracht.
Ach! das alte fromme Schamrothwerden, das gute menschliche Bekennen, Wainen, Abbitten, das der Herzensverhärtung so sehr hütete, und so natürlich zur Sinnesände- rung und Besserung führte, ist aus unserm Volk wie verbannt, und es ist sogar ein of- fentliches Sprüchwort unter uns, der sey kein Mann, der nicht ihrer drey und vieren ins Ansgesicht weglaugnen könne, was sie gesehen daß er gethan, und alles Volk, jun- ges und Altes, Weib und Mann, Knecht und Magd, und sogar die Schulkinder wis- sen izt bey uns von nichts anderm mehr, als bey allem, was sie fehlen, schamlos zu läug- nen, bis sie überwiesen, und auch die Ue- berwiesenen schämen sich nicht, und brau- chen ihr Maul, wie wenn ihnen Gewalt u. Unrecht geschähe.
Die-
Das war ein Mannli — ſagte dann der Vogt. Jch habe es aus ſeinem eigenen Mun- de, daß er an der Folter wie darvor und darnach immer ſich beſizen und denken koͤnn- te, Nein, gehe ſo geſchwind zum Maul her- aus als Ja.
Jch muß wohl nicht ſagen, wie durch ſolche geheime Lenkung und Verdrehung des Rechts, die Herzensverhaͤrtung unter uns ein- gewurzelt, die unſer Elend auf den hoͤchſten Gipfel gebracht.
Ach! das alte fromme Schamrothwerden, das gute menſchliche Bekennen, Wainen, Abbitten, das der Herzensverhaͤrtung ſo ſehr huͤtete, und ſo natuͤrlich zur Sinnesaͤnde- rung und Beſſerung fuͤhrte, iſt aus unſerm Volk wie verbannt, und es iſt ſogar ein of- fentliches Spruͤchwort unter uns, der ſey kein Mann, der nicht ihrer drey und vieren ins Ansgeſicht weglaugnen koͤnne, was ſie geſehen daß er gethan, und alles Volk, jun- ges und Altes, Weib und Mann, Knecht und Magd, und ſogar die Schulkinder wiſ- ſen izt bey uns von nichts anderm mehr, als bey allem, was ſie fehlen, ſchamlos zu laͤug- nen, bis ſie uͤberwieſen, und auch die Ue- berwieſenen ſchaͤmen ſich nicht, und brau- chen ihr Maul, wie wenn ihnen Gewalt u. Unrecht geſchaͤhe.
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Das war ein Mannli — ſagte dann der
Vogt. Jch habe es aus ſeinem eigenen Mun-
de, daß er an der Folter wie darvor und
darnach immer ſich beſizen und denken koͤnn-
te, Nein, gehe ſo geſchwind zum Maul her-
aus als Ja.
Jch muß wohl nicht ſagen, wie durch
ſolche geheime Lenkung und Verdrehung des
Rechts, die Herzensverhaͤrtung unter uns ein-
gewurzelt, die unſer Elend auf den hoͤchſten
Gipfel gebracht.
Ach! das alte fromme Schamrothwerden,
das gute menſchliche Bekennen, Wainen,
Abbitten, das der Herzensverhaͤrtung ſo ſehr
huͤtete, und ſo natuͤrlich zur Sinnesaͤnde-
rung und Beſſerung fuͤhrte, iſt aus unſerm
Volk wie verbannt, und es iſt ſogar ein of-
fentliches Spruͤchwort unter uns, der ſey
kein Mann, der nicht ihrer drey und vieren
ins Ansgeſicht weglaugnen koͤnne, was ſie
geſehen daß er gethan, und alles Volk, jun-
ges und Altes, Weib und Mann, Knecht
und Magd, und ſogar die Schulkinder wiſ-
ſen izt bey uns von nichts anderm mehr, als
bey allem, was ſie fehlen, ſchamlos zu laͤug-
nen, bis ſie uͤberwieſen, und auch die Ue-
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Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783, S. 303. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard02_1783/321>, abgerufen am 24.11.2024.
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