Er fieng überhaupt um diese Zeit an, entsezlich viel zu reden, und ganze Abende hinter dem Tisch mit einem halbduzet Lum- pen zu plaudern, und groß zu thun mit al- lerley Projekten, und sich aufzulassen mit allerley Erzählungen, wer er sey, was er ausgerichtet, und noch ausrichten wolle.
So saß er den 8. Heumonat vor 4. Jah- ren in vollem Rausch bey seinen Lumpen am Tisch -- Ein starkes Gewitter sammelte sich hinter unserm Berg, und zog in grauen stozigen Wolken aus dem Hirzauer Thal nach gegen uns ab; es finsterte am hellen Tag -- selber die Sauffenden sagten erschroken zum Vogt: Es giebt ein schrekliches Wetter -- er aber gab ihnen zur Antwort: Wenn schon das halbe Korn auf 10. Stund weit ver- hagelt würde, es wär nicht schade. -- So sehr sie gesoffen, schüttelten die Männer doch über diese Rede den Kopf -- der Vogt aber behauptete forthin mit fluchen, es wäre nicht schade, das Land sey überladen mit Frucht, und er habe das Haus mit zweyjähriger noch so voll, daß er förchten müsse, es drüke ihm's ein, und es kauffe ihm niemand nichts ab.
Du erschräkest doch auch, wenn das Wet- ter just zu uns kommen würde, sagte der Christen.
Jch
Er fieng uͤberhaupt um dieſe Zeit an, entſezlich viel zu reden, und ganze Abende hinter dem Tiſch mit einem halbduzet Lum- pen zu plaudern, und groß zu thun mit al- lerley Projekten, und ſich aufzulaſſen mit allerley Erzaͤhlungen, wer er ſey, was er ausgerichtet, und noch ausrichten wolle.
So ſaß er den 8. Heumonat vor 4. Jah- ren in vollem Rauſch bey ſeinen Lumpen am Tiſch — Ein ſtarkes Gewitter ſammelte ſich hinter unſerm Berg, und zog in grauen ſtozigen Wolken aus dem Hirzauer Thal nach gegen uns ab; es finſterte am hellen Tag — ſelber die Sauffenden ſagten erſchroken zum Vogt: Es giebt ein ſchrekliches Wetter — er aber gab ihnen zur Antwort: Wenn ſchon das halbe Korn auf 10. Stund weit ver- hagelt wuͤrde, es waͤr nicht ſchade. — So ſehr ſie geſoffen, ſchuͤttelten die Maͤnner doch uͤber dieſe Rede den Kopf — der Vogt aber behauptete forthin mit fluchen, es waͤre nicht ſchade, das Land ſey uͤberladen mit Frucht, und er habe das Haus mit zweyjaͤhriger noch ſo voll, daß er foͤrchten muͤſſe, es druͤke ihm's ein, und es kauffe ihm niemand nichts ab.
Du erſchraͤkeſt doch auch, wenn das Wet- ter juſt zu uns kommen wuͤrde, ſagte der Chriſten.
Jch
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Er fieng uͤberhaupt um dieſe Zeit an,
entſezlich viel zu reden, und ganze Abende
hinter dem Tiſch mit einem halbduzet Lum-
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lerley Projekten, und ſich aufzulaſſen mit
allerley Erzaͤhlungen, wer er ſey, was er
ausgerichtet, und noch ausrichten wolle.
So ſaß er den 8. Heumonat vor 4. Jah-
ren in vollem Rauſch bey ſeinen Lumpen am
Tiſch — Ein ſtarkes Gewitter ſammelte
ſich hinter unſerm Berg, und zog in grauen
ſtozigen Wolken aus dem Hirzauer Thal nach
gegen uns ab; es finſterte am hellen Tag —
ſelber die Sauffenden ſagten erſchroken zum
Vogt: Es giebt ein ſchrekliches Wetter —
er aber gab ihnen zur Antwort: Wenn ſchon
das halbe Korn auf 10. Stund weit ver-
hagelt wuͤrde, es waͤr nicht ſchade. — So
ſehr ſie geſoffen, ſchuͤttelten die Maͤnner doch
uͤber dieſe Rede den Kopf — der Vogt aber
behauptete forthin mit fluchen, es waͤre nicht
ſchade, das Land ſey uͤberladen mit Frucht,
und er habe das Haus mit zweyjaͤhriger noch
ſo voll, daß er foͤrchten muͤſſe, es druͤke ihm's
ein, und es kauffe ihm niemand nichts ab.
Du erſchraͤkeſt doch auch, wenn das Wet-
ter juſt zu uns kommen wuͤrde, ſagte der
Chriſten.
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Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783, S. 319. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard02_1783/337>, abgerufen am 21.11.2024.
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