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Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783.

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wußte, als das alles auf versprochene Zeit
zu zahlen.

Diese Umstände brachten ihn aber nicht
dahin, durch Sorgfalt, Mäßigung u. Scho-
nung dessen, was noch da war, einen dauer-
haften Grund zur Besserung seiner Umstän-
den zu legen; der Hochmuth und das Laster
hintern böse Menschen gar sehr, auf rechten
Wegen sich wieder aufzuhelffen, wenn sie
in häuslicher Verwirrung sind, und der
Vogt hatte nur nie keinen Gedanken von die-
ser Art.

Es muß wieder frisch in die Hand ge-
speyet seyn, war der Sau-Ausdruk, wo-
mit er sich in diesen Umständen zu den un-
sinnigsten Handlungen Muth einsprach. --
Er hatte den festen Glauben, wenn er nur
das Gewühl des Reichthuns forttreiben, u.
verbergen könne, wie arm er seye, so stehe
er in kurzer Zeit wieder in alten Schuhen,
und ließ sich nur nicht traumen, daß eben
dieses Hüten, daß niemand merke, wie arm
er seye, es ihm wirklich unmöglich mache,
jemal wieder auf ein grünes Zweig zu kom-
men. Er konnte izt wie ein siebenjähriges
Kind über sich selber, und über das Reich-
werden mit sich selber schwazen, und hun-
dertmal zu sich selber sagen: 50. Jahr ist
noch kein Alter, einen Mann wie ich bin,

zu

wußte, als das alles auf verſprochene Zeit
zu zahlen.

Dieſe Umſtaͤnde brachten ihn aber nicht
dahin, durch Sorgfalt, Maͤßigung u. Scho-
nung deſſen, was noch da war, einen dauer-
haften Grund zur Beſſerung ſeiner Umſtaͤn-
den zu legen; der Hochmuth und das Laſter
hintern boͤſe Menſchen gar ſehr, auf rechten
Wegen ſich wieder aufzuhelffen, wenn ſie
in haͤuslicher Verwirrung ſind, und der
Vogt hatte nur nie keinen Gedanken von die-
ſer Art.

Es muß wieder friſch in die Hand ge-
ſpeyet ſeyn, war der Sau-Ausdruk, wo-
mit er ſich in dieſen Umſtaͤnden zu den un-
ſinnigſten Handlungen Muth einſprach. —
Er hatte den feſten Glauben, wenn er nur
das Gewuͤhl des Reichthuns forttreiben, u.
verbergen koͤnne, wie arm er ſeye, ſo ſtehe
er in kurzer Zeit wieder in alten Schuhen,
und ließ ſich nur nicht traumen, daß eben
dieſes Huͤten, daß niemand merke, wie arm
er ſeye, es ihm wirklich unmoͤglich mache,
jemal wieder auf ein gruͤnes Zweig zu kom-
men. Er konnte izt wie ein ſiebenjaͤhriges
Kind uͤber ſich ſelber, und uͤber das Reich-
werden mit ſich ſelber ſchwazen, und hun-
dertmal zu ſich ſelber ſagen: 50. Jahr iſt
noch kein Alter, einen Mann wie ich bin,

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[331/0349] wußte, als das alles auf verſprochene Zeit zu zahlen. Dieſe Umſtaͤnde brachten ihn aber nicht dahin, durch Sorgfalt, Maͤßigung u. Scho- nung deſſen, was noch da war, einen dauer- haften Grund zur Beſſerung ſeiner Umſtaͤn- den zu legen; der Hochmuth und das Laſter hintern boͤſe Menſchen gar ſehr, auf rechten Wegen ſich wieder aufzuhelffen, wenn ſie in haͤuslicher Verwirrung ſind, und der Vogt hatte nur nie keinen Gedanken von die- ſer Art. Es muß wieder friſch in die Hand ge- ſpeyet ſeyn, war der Sau-Ausdruk, wo- mit er ſich in dieſen Umſtaͤnden zu den un- ſinnigſten Handlungen Muth einſprach. — Er hatte den feſten Glauben, wenn er nur das Gewuͤhl des Reichthuns forttreiben, u. verbergen koͤnne, wie arm er ſeye, ſo ſtehe er in kurzer Zeit wieder in alten Schuhen, und ließ ſich nur nicht traumen, daß eben dieſes Huͤten, daß niemand merke, wie arm er ſeye, es ihm wirklich unmoͤglich mache, jemal wieder auf ein gruͤnes Zweig zu kom- men. Er konnte izt wie ein ſiebenjaͤhriges Kind uͤber ſich ſelber, und uͤber das Reich- werden mit ſich ſelber ſchwazen, und hun- dertmal zu ſich ſelber ſagen: 50. Jahr iſt noch kein Alter, einen Mann wie ich bin, zu

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Zitationshilfe: Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783, S. 331. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard02_1783/349>, abgerufen am 21.11.2024.