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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785.

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Ich weiß noch mehr, ich weiß auch, daß
du keinen Tropfen von dem Wein getrunken,
um dessen Willen du da bist, und daß dein
Vater dich noch gebetten, du sollest ihn sich für
dich verantworten lassen, aber du bist so brav
gewesen, und hast es nicht wollen.

Jezt nahm das Kind die Hand vor die Au-
gen, die ihm überliefen, und sagte schluchzend,
mein Vater, niemand als mein Vater, mein
lieber Vater hat euch das gesagt.

Nein, sagte der Junker, dein Vater hat es
mir nicht gesagt; aber grüß mir deinen Bru-
der den Jakoblj, und sag ihm, er soll am Sonn-
tag zum Carl ins Schloß kommen, zum Mit-
tagessen, er ist ihm gar lieb. --

Jezt wußte das Kind wer es ihm ausge-
bracht, und sagte beim weggehen zu sich sel-
ber, der Liebe Gott hats doch auch gut mit
mir gemeynt, daß es so gekommen ist.

§. 39.
Seine Kraft wider das freche Laster.

Einige kamen jezt auf den Einfall, weil er
so gut seye, so laß es sich vielleicht wohl
mit dem Läugnen probieren. Die Spekmol-
chin, die grad auf ihns folgt, that den Ver-
such.


Ich weiß noch mehr, ich weiß auch, daß
du keinen Tropfen von dem Wein getrunken,
um deſſen Willen du da biſt, und daß dein
Vater dich noch gebetten, du ſolleſt ihn ſich fuͤr
dich verantworten laſſen, aber du biſt ſo brav
geweſen, und haſt es nicht wollen.

Jezt nahm das Kind die Hand vor die Au-
gen, die ihm uͤberliefen, und ſagte ſchluchzend,
mein Vater, niemand als mein Vater, mein
lieber Vater hat euch das geſagt.

Nein, ſagte der Junker, dein Vater hat es
mir nicht geſagt; aber gruͤß mir deinen Bru-
der den Jakoblj, und ſag ihm, er ſoll am Sonn-
tag zum Carl ins Schloß kommen, zum Mit-
tageſſen, er iſt ihm gar lieb. —

Jezt wußte das Kind wer es ihm ausge-
bracht, und ſagte beim weggehen zu ſich ſel-
ber, der Liebe Gott hats doch auch gut mit
mir gemeynt, daß es ſo gekommen iſt.

§. 39.
Seine Kraft wider das freche Laſter.

Einige kamen jezt auf den Einfall, weil er
ſo gut ſeye, ſo laß es ſich vielleicht wohl
mit dem Laͤugnen probieren. Die Spekmol-
chin, die grad auf ihns folgt, that den Ver-
ſuch.


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[175/0197] Ich weiß noch mehr, ich weiß auch, daß du keinen Tropfen von dem Wein getrunken, um deſſen Willen du da biſt, und daß dein Vater dich noch gebetten, du ſolleſt ihn ſich fuͤr dich verantworten laſſen, aber du biſt ſo brav geweſen, und haſt es nicht wollen. Jezt nahm das Kind die Hand vor die Au- gen, die ihm uͤberliefen, und ſagte ſchluchzend, mein Vater, niemand als mein Vater, mein lieber Vater hat euch das geſagt. Nein, ſagte der Junker, dein Vater hat es mir nicht geſagt; aber gruͤß mir deinen Bru- der den Jakoblj, und ſag ihm, er ſoll am Sonn- tag zum Carl ins Schloß kommen, zum Mit- tageſſen, er iſt ihm gar lieb. — Jezt wußte das Kind wer es ihm ausge- bracht, und ſagte beim weggehen zu ſich ſel- ber, der Liebe Gott hats doch auch gut mit mir gemeynt, daß es ſo gekommen iſt. §. 39. Seine Kraft wider das freche Laſter. Einige kamen jezt auf den Einfall, weil er ſo gut ſeye, ſo laß es ſich vielleicht wohl mit dem Laͤugnen probieren. Die Spekmol- chin, die grad auf ihns folgt, that den Ver- ſuch.

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Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785/197>, abgerufen am 28.11.2024.