§. 41. Wider die Hoffart und wider Volks-Co- mödien vor dem Halseisen, (Pranger.)
Bald auf sie folgte die Hürner Beth, die trug vornen und hinten Sammetbänder, und am Kopf und Hals feines Zeug.
Arner kannte seine Eltern aus dem Allmosen- rodel, und fragte, bist du des Hürner Jakobs?
Diese Frag gefiel dem Menschen schon nicht, es verlor schon seine Farb, da es ja sagte.
Der Junker sah ihns vom Kopf, bis zun Füssen an, und fragte ihns da, wie kommst du zu Seiden und Sammet?
Erschroken wie eine Diebin, der ihre Ar- beit eben an Tag kommt, antwortete es nichts.
Der Junker aber sagte wieder, wie kommst du zu Seiden und Sammet?
Und es brachte es unter Herzklopfen heraus, ich hab verdient, was ich trage.
Ich will nicht fragen, wie? sagte Arner, ich will dich nur fragen, ob dir anstehe es zu tragen?
Es schwieg wieder.
Der Junker aber sagte, wo keine Scham ist, da ist keine Ehre, und ein Mensch, das vom Allmosen erzogen wird, und sich vor sei- nem Dorf nicht schämt, sich kostbarer zu klei-
M 3
§. 41. Wider die Hoffart und wider Volks-Co- moͤdien vor dem Halseiſen, (Pranger.)
Bald auf ſie folgte die Huͤrner Beth, die trug vornen und hinten Sammetbaͤnder, und am Kopf und Hals feines Zeug.
Arner kannte ſeine Eltern aus dem Allmoſen- rodel, und fragte, biſt du des Huͤrner Jakobs?
Dieſe Frag gefiel dem Menſchen ſchon nicht, es verlor ſchon ſeine Farb, da es ja ſagte.
Der Junker ſah ihns vom Kopf, bis zun Fuͤſſen an, und fragte ihns da, wie kommſt du zu Seiden und Sammet?
Erſchroken wie eine Diebin, der ihre Ar- beit eben an Tag kommt, antwortete es nichts.
Der Junker aber ſagte wieder, wie kommſt du zu Seiden und Sammet?
Und es brachte es unter Herzklopfen heraus, ich hab verdient, was ich trage.
Ich will nicht fragen, wie? ſagte Arner, ich will dich nur fragen, ob dir anſtehe es zu tragen?
Es ſchwieg wieder.
Der Junker aber ſagte, wo keine Scham iſt, da iſt keine Ehre, und ein Menſch, das vom Allmoſen erzogen wird, und ſich vor ſei- nem Dorf nicht ſchaͤmt, ſich koſtbarer zu klei-
M 3
<TEI><text><body><pbfacs="#f0203"n="181"/><divn="1"><head>§. 41.<lb/>
Wider die Hoffart und wider Volks-Co-<lb/>
moͤdien vor dem Halseiſen, (Pranger.)</head><lb/><p><hirendition="#in">B</hi>ald auf ſie folgte die Huͤrner Beth, die<lb/>
trug vornen und hinten Sammetbaͤnder,<lb/>
und am Kopf und Hals feines Zeug.</p><lb/><p>Arner kannte ſeine Eltern aus dem Allmoſen-<lb/>
rodel, und fragte, biſt du des Huͤrner Jakobs?</p><lb/><p>Dieſe Frag gefiel dem Menſchen ſchon nicht,<lb/>
es verlor ſchon ſeine Farb, da es ja ſagte.</p><lb/><p>Der Junker ſah ihns vom Kopf, bis zun<lb/>
Fuͤſſen an, und fragte ihns da, wie kommſt<lb/>
du zu Seiden und Sammet?</p><lb/><p>Erſchroken wie eine Diebin, der ihre Ar-<lb/>
beit eben an Tag kommt, antwortete es nichts.</p><lb/><p>Der Junker aber ſagte wieder, wie kommſt<lb/>
du zu Seiden und Sammet?</p><lb/><p>Und es brachte es unter Herzklopfen heraus,<lb/>
ich hab verdient, was ich trage.</p><lb/><p>Ich will nicht fragen, wie? ſagte Arner,<lb/>
ich will dich nur fragen, ob dir anſtehe es zu<lb/>
tragen?</p><lb/><p>Es ſchwieg wieder.</p><lb/><p>Der Junker aber ſagte, wo keine Scham<lb/>
iſt, da iſt keine Ehre, und ein Menſch, das<lb/>
vom Allmoſen erzogen wird, und ſich vor ſei-<lb/>
nem Dorf nicht ſchaͤmt, ſich koſtbarer zu klei-<lb/><fwplace="bottom"type="sig">M 3</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[181/0203]
§. 41.
Wider die Hoffart und wider Volks-Co-
moͤdien vor dem Halseiſen, (Pranger.)
Bald auf ſie folgte die Huͤrner Beth, die
trug vornen und hinten Sammetbaͤnder,
und am Kopf und Hals feines Zeug.
Arner kannte ſeine Eltern aus dem Allmoſen-
rodel, und fragte, biſt du des Huͤrner Jakobs?
Dieſe Frag gefiel dem Menſchen ſchon nicht,
es verlor ſchon ſeine Farb, da es ja ſagte.
Der Junker ſah ihns vom Kopf, bis zun
Fuͤſſen an, und fragte ihns da, wie kommſt
du zu Seiden und Sammet?
Erſchroken wie eine Diebin, der ihre Ar-
beit eben an Tag kommt, antwortete es nichts.
Der Junker aber ſagte wieder, wie kommſt
du zu Seiden und Sammet?
Und es brachte es unter Herzklopfen heraus,
ich hab verdient, was ich trage.
Ich will nicht fragen, wie? ſagte Arner,
ich will dich nur fragen, ob dir anſtehe es zu
tragen?
Es ſchwieg wieder.
Der Junker aber ſagte, wo keine Scham
iſt, da iſt keine Ehre, und ein Menſch, das
vom Allmoſen erzogen wird, und ſich vor ſei-
nem Dorf nicht ſchaͤmt, ſich koſtbarer zu klei-
M 3
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785/203>, abgerufen am 28.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.