Ists wahr? Sagten sie zu ihm, daß ihr unser Schulmeister werdet? Und auf seine Ant- wort, ey ja! sahen sie ihn an, wie ein Käu- fer auf dem Markt ein Juden-Roß, dem er nichts gutes traut, und stengen dann bald un- ter einander an, zuerst halb und denn ganz ihr Gespött zu haben, und endlich überlaut zu sagen: es werde müssen eine neumodische Schule abgeben; und dann fragten sie ihn noch ob er sich mit dem alten Schul-Lohn begnüge? oder wer ihm mehr gebe? Einige sagten, er werde wohl müssen ihre Buben lehren in die Scheibe schiessen, und exercieren, und einer deutete gar mit seinem Finger auf sein Bein, und sagte, aber er denke, einmal doch auch nicht tanzen.
Er ließ sie eine Weile machen, zu sehen, wie weit sie es trieben. Als er aber fand, es seye jezt genug, stuhnd er auf, und sagte mit dem Stok in der Hand: an die Arbeit, ihr Nach- barn! damit ich nicht versäumt werde.
Sie thaten das Maul auf, und er sagte zum diksten: komm her und trag das, und zum grösten: geh hin und bring das! --
Und beym ersten, der nicht im Augenblik that, was er sagte, fragte er, wie heißt der? und schrieb ihn auf. Das machte sie folgen. Die so ihn verspottet, lehrnten stehen, wohin er sie stehen, und gehen wohin er sie gehen, und tragen, was er sie tragen hieß.
Iſts wahr? Sagten ſie zu ihm, daß ihr unſer Schulmeiſter werdet? Und auf ſeine Ant- wort, ey ja! ſahen ſie ihn an, wie ein Kaͤu- fer auf dem Markt ein Juden-Roß, dem er nichts gutes traut, und ſtengen dann bald un- ter einander an, zuerſt halb und denn ganz ihr Geſpoͤtt zu haben, und endlich uͤberlaut zu ſagen: es werde muͤſſen eine neumodiſche Schule abgeben; und dann fragten ſie ihn noch ob er ſich mit dem alten Schul-Lohn begnuͤge? oder wer ihm mehr gebe? Einige ſagten, er werde wohl muͤſſen ihre Buben lehren in die Scheibe ſchieſſen, und exercieren, und einer deutete gar mit ſeinem Finger auf ſein Bein, und ſagte, aber er denke, einmal doch auch nicht tanzen.
Er ließ ſie eine Weile machen, zu ſehen, wie weit ſie es trieben. Als er aber fand, es ſeye jezt genug, ſtuhnd er auf, und ſagte mit dem Stok in der Hand: an die Arbeit, ihr Nach- barn! damit ich nicht verſaͤumt werde.
Sie thaten das Maul auf, und er ſagte zum dikſten: komm her und trag das, und zum groͤſten: geh hin und bring das! —
Und beym erſten, der nicht im Augenblik that, was er ſagte, fragte er, wie heißt der? und ſchrieb ihn auf. Das machte ſie folgen. Die ſo ihn verſpottet, lehrnten ſtehen, wohin er ſie ſtehen, und gehen wohin er ſie gehen, und tragen, was er ſie tragen hieß.
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Iſts wahr? Sagten ſie zu ihm, daß ihr
unſer Schulmeiſter werdet? Und auf ſeine Ant-
wort, ey ja! ſahen ſie ihn an, wie ein Kaͤu-
fer auf dem Markt ein Juden-Roß, dem er
nichts gutes traut, und ſtengen dann bald un-
ter einander an, zuerſt halb und denn ganz
ihr Geſpoͤtt zu haben, und endlich uͤberlaut zu
ſagen: es werde muͤſſen eine neumodiſche Schule
abgeben; und dann fragten ſie ihn noch ob er
ſich mit dem alten Schul-Lohn begnuͤge? oder
wer ihm mehr gebe? Einige ſagten, er werde
wohl muͤſſen ihre Buben lehren in die Scheibe
ſchieſſen, und exercieren, und einer deutete
gar mit ſeinem Finger auf ſein Bein, und
ſagte, aber er denke, einmal doch auch nicht
tanzen.
Er ließ ſie eine Weile machen, zu ſehen, wie
weit ſie es trieben. Als er aber fand, es ſeye
jezt genug, ſtuhnd er auf, und ſagte mit dem
Stok in der Hand: an die Arbeit, ihr Nach-
barn! damit ich nicht verſaͤumt werde.
Sie thaten das Maul auf, und er ſagte zum
dikſten: komm her und trag das, und zum
groͤſten: geh hin und bring das! —
Und beym erſten, der nicht im Augenblik
that, was er ſagte, fragte er, wie heißt der?
und ſchrieb ihn auf. Das machte ſie folgen.
Die ſo ihn verſpottet, lehrnten ſtehen, wohin
er ſie ſtehen, und gehen wohin er ſie gehen,
und tragen, was er ſie tragen hieß.
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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785, S. 226. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785/248>, abgerufen am 24.11.2024.
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