Ich möchte nur wissen, antwortete die Toch- ter, was ich auch in der Welt thun müßte, von dem ihr nicht sagtet, ich thäte es euch zu leid, wenns euch darnach im Kopf ist.
Ja -- ja, -- du bist ein schönes Mensch, sagte die Mutter, -- red nur viel. --
Die Tochter aber war erhizt und erwiederte ihr, -- ja -- ich muß reden, ich wollt lieber ihr hättet mir die Hand ins Maul ge- schlagen, daß mir alle Zähne in Kragen hin- untergefallen wären, als daß ihr der Junkerin vor meinen Augen so gute Wort gegeben, da ihr doch den ganzen Morgen bis auf diesen Au- genblik mit mir ob dieser Sach gehauset, daß es möcht gemahlet am Himmel stehen; hättet ihr es ihr nur jezt selber gesagt, es wäre bes- ser gewesen als so.
Das ist jezt der Lohn für die Mühe die ich gehabt? da du da gestanden wie der Ochs am Berg! aber hab ich auch in meinem Leben ein gottloseres Mensch gesehen? sagte die Mutter. Und die Reinoldin erwiederte: ihr könnt mir jezt sagen was ihr wollet, es wäre doch besser gewesen, ihr hättet mich stehen lassen, wie sie- ben Ochsen am Berg, als daß ihr so falsch vor mir mit der Junkerin geredt. Ich kann und weiß das nicht auszustehen.
Mich, mich, kannst und weist du nicht aus- zustehen? und das deiner Lebtag, sagte die Mut-
Ich moͤchte nur wiſſen, antwortete die Toch- ter, was ich auch in der Welt thun muͤßte, von dem ihr nicht ſagtet, ich thaͤte es euch zu leid, wenns euch darnach im Kopf iſt.
Ja — ja, — du biſt ein ſchoͤnes Menſch, ſagte die Mutter, — red nur viel. —
Die Tochter aber war erhizt und erwiederte ihr, — ja — ich muß reden, ich wollt lieber ihr haͤttet mir die Hand ins Maul ge- ſchlagen, daß mir alle Zaͤhne in Kragen hin- untergefallen waͤren, als daß ihr der Junkerin vor meinen Augen ſo gute Wort gegeben, da ihr doch den ganzen Morgen bis auf dieſen Au- genblik mit mir ob dieſer Sach gehauſet, daß es moͤcht gemahlet am Himmel ſtehen; haͤttet ihr es ihr nur jezt ſelber geſagt, es waͤre beſ- ſer geweſen als ſo.
Das iſt jezt der Lohn fuͤr die Muͤhe die ich gehabt? da du da geſtanden wie der Ochs am Berg! aber hab ich auch in meinem Leben ein gottloſeres Menſch geſehen? ſagte die Mutter. Und die Reinoldin erwiederte: ihr koͤnnt mir jezt ſagen was ihr wollet, es waͤre doch beſſer geweſen, ihr haͤttet mich ſtehen laſſen, wie ſie- ben Ochſen am Berg, als daß ihr ſo falſch vor mir mit der Junkerin geredt. Ich kann und weiß das nicht auszuſtehen.
Mich, mich, kannſt und weiſt du nicht aus- zuſtehen? und das deiner Lebtag, ſagte die Mut-
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Ich moͤchte nur wiſſen, antwortete die Toch-
ter, was ich auch in der Welt thun muͤßte,
von dem ihr nicht ſagtet, ich thaͤte es euch zu
leid, wenns euch darnach im Kopf iſt.
Ja — ja, — du biſt ein ſchoͤnes Menſch,
ſagte die Mutter, — red nur viel. —
Die Tochter aber war erhizt und erwiederte
ihr, — ja — ich muß reden, ich wollt
lieber ihr haͤttet mir die Hand ins Maul ge-
ſchlagen, daß mir alle Zaͤhne in Kragen hin-
untergefallen waͤren, als daß ihr der Junkerin
vor meinen Augen ſo gute Wort gegeben, da
ihr doch den ganzen Morgen bis auf dieſen Au-
genblik mit mir ob dieſer Sach gehauſet, daß
es moͤcht gemahlet am Himmel ſtehen; haͤttet
ihr es ihr nur jezt ſelber geſagt, es waͤre beſ-
ſer geweſen als ſo.
Das iſt jezt der Lohn fuͤr die Muͤhe die ich
gehabt? da du da geſtanden wie der Ochs am
Berg! aber hab ich auch in meinem Leben ein
gottloſeres Menſch geſehen? ſagte die Mutter.
Und die Reinoldin erwiederte: ihr koͤnnt mir
jezt ſagen was ihr wollet, es waͤre doch beſſer
geweſen, ihr haͤttet mich ſtehen laſſen, wie ſie-
ben Ochſen am Berg, als daß ihr ſo falſch
vor mir mit der Junkerin geredt. Ich kann
und weiß das nicht auszuſtehen.
Mich, mich, kannſt und weiſt du nicht aus-
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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785, S. 252. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785/274>, abgerufen am 24.11.2024.
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