fen Volk den andern Leuthen im Dorf das Blut so leicht warm machet, ein Wort verlohr.
So wahr ist es, daß man die Menschen vom Irrthum abzuführen, nicht die Worte der Tho- ren widerlegen, sondern den Geist ihrer Thor- heit in ihnen auslöschen muß.
Es hilft nichts zum sehen, die Nacht zu be- schreiben, und die schwarze Farbe ihrer Schat- ten zu mahlen: nur wenn du das Licht anzün- dest, kannst du zeigen was die Nacht war, und nur wenn du den Staaren stichst, was die Blind- heit gewesen.
Recht sehen und hören ist der erste Schritt zur Weisheit des Lebens; und Rechnen ist das Band der Natur, das uns im forschen nach Wahrheit vor Irrthum bewahrt, und die Grundsäule der Ruhe und des Wohlstands, den nur ein bedächtliches und sorgfältiges Be- rufsleben den Kindern der Menschen bescheret.
Daher war meinem Lieutenant auch nichts so wichtig, als seine Kinder wohl rechnen zu lehren, und er sagte: der Kopf gehe dem Men- schen nicht recht auf, wenn er nicht entweder durch viele grosse Erfahrungen oder durch Zah- lenübungen, welche diese Erfahrungen zum Theil ersezen, eine Richtung erhalte, die dem Fassen und Festhalten dessen was wahr ist, an- gemessen.
Aber die Art wie er sie rechnen lehrte, ist
fen Volk den andern Leuthen im Dorf das Blut ſo leicht warm machet, ein Wort verlohr.
So wahr iſt es, daß man die Menſchen vom Irrthum abzufuͤhren, nicht die Worte der Tho- ren widerlegen, ſondern den Geiſt ihrer Thor- heit in ihnen ausloͤſchen muß.
Es hilft nichts zum ſehen, die Nacht zu be- ſchreiben, und die ſchwarze Farbe ihrer Schat- ten zu mahlen: nur wenn du das Licht anzuͤn- deſt, kannſt du zeigen was die Nacht war, und nur wenn du den Staaren ſtichſt, was die Blind- heit geweſen.
Recht ſehen und hoͤren iſt der erſte Schritt zur Weisheit des Lebens; und Rechnen iſt das Band der Natur, das uns im forſchen nach Wahrheit vor Irrthum bewahrt, und die Grundſaͤule der Ruhe und des Wohlſtands, den nur ein bedaͤchtliches und ſorgfaͤltiges Be- rufsleben den Kindern der Menſchen beſcheret.
Daher war meinem Lieutenant auch nichts ſo wichtig, als ſeine Kinder wohl rechnen zu lehren, und er ſagte: der Kopf gehe dem Men- ſchen nicht recht auf, wenn er nicht entweder durch viele groſſe Erfahrungen oder durch Zah- lenuͤbungen, welche dieſe Erfahrungen zum Theil erſezen, eine Richtung erhalte, die dem Faſſen und Feſthalten deſſen was wahr iſt, an- gemeſſen.
Aber die Art wie er ſie rechnen lehrte, iſt
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fen Volk den andern Leuthen im Dorf das Blut
ſo leicht warm machet, ein Wort verlohr.
So wahr iſt es, daß man die Menſchen vom
Irrthum abzufuͤhren, nicht die Worte der Tho-
ren widerlegen, ſondern den Geiſt ihrer Thor-
heit in ihnen ausloͤſchen muß.
Es hilft nichts zum ſehen, die Nacht zu be-
ſchreiben, und die ſchwarze Farbe ihrer Schat-
ten zu mahlen: nur wenn du das Licht anzuͤn-
deſt, kannſt du zeigen was die Nacht war, und
nur wenn du den Staaren ſtichſt, was die Blind-
heit geweſen.
Recht ſehen und hoͤren iſt der erſte Schritt
zur Weisheit des Lebens; und Rechnen iſt das
Band der Natur, das uns im forſchen nach
Wahrheit vor Irrthum bewahrt, und die
Grundſaͤule der Ruhe und des Wohlſtands,
den nur ein bedaͤchtliches und ſorgfaͤltiges Be-
rufsleben den Kindern der Menſchen beſcheret.
Daher war meinem Lieutenant auch nichts
ſo wichtig, als ſeine Kinder wohl rechnen zu
lehren, und er ſagte: der Kopf gehe dem Men-
ſchen nicht recht auf, wenn er nicht entweder
durch viele groſſe Erfahrungen oder durch Zah-
lenuͤbungen, welche dieſe Erfahrungen zum
Theil erſezen, eine Richtung erhalte, die dem
Faſſen und Feſthalten deſſen was wahr iſt, an-
gemeſſen.
Aber die Art wie er ſie rechnen lehrte, iſt
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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785, S. 306. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785/328>, abgerufen am 24.11.2024.
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