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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785.

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Hartknopfen Gemurmel: der neue Schulmei-
ster seye kein rechter Christenmensch, und das
ewige Heil der armen Kinder sey in Gefahr,
wenn sie unter seinen Händen bleiben, ihn wie
aus dem Schlaf wekte, und seinen Sinnen wie
wieder neues Leben gab. Es war ihm jezt
nicht mehr, der neue Mann sey wieder ihn,
es war ihm, er sey wieder den lieben Gott.

Und das macht einen Unterschied in einem
solchen Kopf; er kehrte von nun an alles auf
diese Seite.

Er hieß ihn einen Heidenmann, seine Schul
eine Heidenschul, und verglich das was man
darinn trieb der Kaufhausarbeit im Tempel
zu Jerusalem, das mit samt dem Schulmei-
ster nichts bessers verdiene, als daß ihm gehen
sollte, wie es der liebe Heiland den Dauben-
verkäufern und den Geldwechslern gemacht
habe. -- In diesem Ton redte er jezt über
alles. --

Das nicht mehr Auswendiglehrnen des un-
verständlichen und verwirrten Wortkrams,
das der Pfarrer nicht mehr wollte, hieß er
eine Verläugnung des wahren Glaubens. --

Und das Verkleiben der Streitfrage die dem
Michel Juk das Leben gekostet, eine Verstümm-
lung des geoffenbahrten Willens Gottes, mit
dem Zusaz: wenn man eine jede Frage ver-
kleiben wollte, die einen Todschlag veranlasset

Hartknopfen Gemurmel: der neue Schulmei-
ſter ſeye kein rechter Chriſtenmenſch, und das
ewige Heil der armen Kinder ſey in Gefahr,
wenn ſie unter ſeinen Haͤnden bleiben, ihn wie
aus dem Schlaf wekte, und ſeinen Sinnen wie
wieder neues Leben gab. Es war ihm jezt
nicht mehr, der neue Mann ſey wieder ihn,
es war ihm, er ſey wieder den lieben Gott.

Und das macht einen Unterſchied in einem
ſolchen Kopf; er kehrte von nun an alles auf
dieſe Seite.

Er hieß ihn einen Heidenmann, ſeine Schul
eine Heidenſchul, und verglich das was man
darinn trieb der Kaufhausarbeit im Tempel
zu Jeruſalem, das mit ſamt dem Schulmei-
ſter nichts beſſers verdiene, als daß ihm gehen
ſollte, wie es der liebe Heiland den Dauben-
verkaͤufern und den Geldwechslern gemacht
habe. — In dieſem Ton redte er jezt uͤber
alles. —

Das nicht mehr Auswendiglehrnen des un-
verſtaͤndlichen und verwirrten Wortkrams,
das der Pfarrer nicht mehr wollte, hieß er
eine Verlaͤugnung des wahren Glaubens. —

Und das Verkleiben der Streitfrage die dem
Michel Juk das Leben gekoſtet, eine Verſtuͤmm-
lung des geoffenbahrten Willens Gottes, mit
dem Zuſaz: wenn man eine jede Frage ver-
kleiben wollte, die einen Todſchlag veranlaſſet

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[319/0341] Hartknopfen Gemurmel: der neue Schulmei- ſter ſeye kein rechter Chriſtenmenſch, und das ewige Heil der armen Kinder ſey in Gefahr, wenn ſie unter ſeinen Haͤnden bleiben, ihn wie aus dem Schlaf wekte, und ſeinen Sinnen wie wieder neues Leben gab. Es war ihm jezt nicht mehr, der neue Mann ſey wieder ihn, es war ihm, er ſey wieder den lieben Gott. Und das macht einen Unterſchied in einem ſolchen Kopf; er kehrte von nun an alles auf dieſe Seite. Er hieß ihn einen Heidenmann, ſeine Schul eine Heidenſchul, und verglich das was man darinn trieb der Kaufhausarbeit im Tempel zu Jeruſalem, das mit ſamt dem Schulmei- ſter nichts beſſers verdiene, als daß ihm gehen ſollte, wie es der liebe Heiland den Dauben- verkaͤufern und den Geldwechslern gemacht habe. — In dieſem Ton redte er jezt uͤber alles. — Das nicht mehr Auswendiglehrnen des un- verſtaͤndlichen und verwirrten Wortkrams, das der Pfarrer nicht mehr wollte, hieß er eine Verlaͤugnung des wahren Glaubens. — Und das Verkleiben der Streitfrage die dem Michel Juk das Leben gekoſtet, eine Verſtuͤmm- lung des geoffenbahrten Willens Gottes, mit dem Zuſaz: wenn man eine jede Frage ver- kleiben wollte, die einen Todſchlag veranlaſſet

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Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785, S. 319. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785/341>, abgerufen am 24.11.2024.