§. 72. Allerley wunderliche Wirkungen die vom Dürsten herkommen können.
So verwirrte es diesen Mann, daß das Schulhaus für ihn zu war.
Andere und mehrere verwirrte es, daß das Wirthshaus für sie zu war.
Arner hatte es nemlich, seit dem der Teufel den alten Wirth nehmen wollen, beschlossen, und nun gab es alle Tage mehr Leuthe, denen das nicht recht lag, und die auf diese oder jene Art anftengen sich herauszulassen, der Miß- brauch einer Sache hebe den guten Gebrauch derselben nicht auf; und der Wein seye eine Gabe Gottes, die er selber den armen Bau- ren, die doch auch sonst so wenig in der Welt haben, wohl gönnen möge, wenn sie ihn nur mit Bescheidenheit brauchen, und so, daß sie darbey beym Verstand bleiben.
So redten jezt Leuthe, von denen kein Mensch geglaubt hätte, daß sie jemals dem Wein oder dem Wirthshaus das Wort reden würden. Andere die sich weniger schämten, zu zeigen, warum es ihnen zu thun sey, führten dann noch eine andere Sprache, und denn daheim in ihren Haushaltungen ein Leben, daß es ein Grausen, so daß einiche Weiber und Kinder
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§. 72. Allerley wunderliche Wirkungen die vom Duͤrſten herkommen koͤnnen.
So verwirrte es dieſen Mann, daß das Schulhaus fuͤr ihn zu war.
Andere und mehrere verwirrte es, daß das Wirthshaus fuͤr ſie zu war.
Arner hatte es nemlich, ſeit dem der Teufel den alten Wirth nehmen wollen, beſchloſſen, und nun gab es alle Tage mehr Leuthe, denen das nicht recht lag, und die auf dieſe oder jene Art anftengen ſich herauszulaſſen, der Miß- brauch einer Sache hebe den guten Gebrauch derſelben nicht auf; und der Wein ſeye eine Gabe Gottes, die er ſelber den armen Bau- ren, die doch auch ſonſt ſo wenig in der Welt haben, wohl goͤnnen moͤge, wenn ſie ihn nur mit Beſcheidenheit brauchen, und ſo, daß ſie darbey beym Verſtand bleiben.
So redten jezt Leuthe, von denen kein Menſch geglaubt haͤtte, daß ſie jemals dem Wein oder dem Wirthshaus das Wort reden wuͤrden. Andere die ſich weniger ſchaͤmten, zu zeigen, warum es ihnen zu thun ſey, fuͤhrten dann noch eine andere Sprache, und denn daheim in ihren Haushaltungen ein Leben, daß es ein Grauſen, ſo daß einiche Weiber und Kinder
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§. 72.
Allerley wunderliche Wirkungen die vom
Duͤrſten herkommen koͤnnen.
So verwirrte es dieſen Mann, daß das
Schulhaus fuͤr ihn zu war.
Andere und mehrere verwirrte es, daß das
Wirthshaus fuͤr ſie zu war.
Arner hatte es nemlich, ſeit dem der Teufel
den alten Wirth nehmen wollen, beſchloſſen,
und nun gab es alle Tage mehr Leuthe, denen
das nicht recht lag, und die auf dieſe oder jene
Art anftengen ſich herauszulaſſen, der Miß-
brauch einer Sache hebe den guten Gebrauch
derſelben nicht auf; und der Wein ſeye eine
Gabe Gottes, die er ſelber den armen Bau-
ren, die doch auch ſonſt ſo wenig in der Welt
haben, wohl goͤnnen moͤge, wenn ſie ihn nur
mit Beſcheidenheit brauchen, und ſo, daß ſie
darbey beym Verſtand bleiben.
So redten jezt Leuthe, von denen kein Menſch
geglaubt haͤtte, daß ſie jemals dem Wein oder
dem Wirthshaus das Wort reden wuͤrden.
Andere die ſich weniger ſchaͤmten, zu zeigen,
warum es ihnen zu thun ſey, fuͤhrten dann
noch eine andere Sprache, und denn daheim
in ihren Haushaltungen ein Leben, daß es ein
Grauſen, ſo daß einiche Weiber und Kinder
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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785, S. 323. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785/345>, abgerufen am 24.11.2024.
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