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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785.

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im Dorf den größten Jammer hatten, und
die wunderlichsten Reden darüber im Dorf her-
umgegangen.

Die Müggerin sagte in den ersten acht Ta-
gen bey dem offenen Brunnen: es würde den
Junker wohl lehren das Haus wieder aufthun,
wenn er nur ein paar Tage so eingesperrt seyn,
und es haben müßte wie sie bey ihrem Mann,
seitdem dasselbe zu seye.

Des Aebis Elsi sagte gar: sie wollte lieber
in die Hölle als es ein halb Jahr so haben,
wie jezt, seitdem ihr Mann nicht mehr ins
Wirthshaus könne.

So klagten viele Weiber über ihre Männer.
Andere aber klagten wie diese über das beschlos-
sene Haus. -- Die Rhynerin mit der rothen
Nase machte von deswegen das schönste Kalb
sterben, das im Dorf war; sie gab ihm seit
dem Tag, da das Haus zu war, seine Sache
nicht mehr in der Ordnung, und noch dazu
Ribbstösse, wenn es nicht im Augenblik recht
wie sie wollte, zu der Kuh zustuhnd. -- Wenn
mans so macht, so ists mit einem Kalb und
mit einem jeden jungen Geschöpf bald aus.

Es gieng auch manches darauf. -- Was
will ich sagen? selber ihre Kinder empfanden
beym Strehlen und anderm mehr, daß ihren
Müttern ganz gewiß etwas nicht recht liegen
müsse. -- Und der Leüppi machte auf seinem

im Dorf den groͤßten Jammer hatten, und
die wunderlichſten Reden daruͤber im Dorf her-
umgegangen.

Die Muͤggerin ſagte in den erſten acht Ta-
gen bey dem offenen Brunnen: es wuͤrde den
Junker wohl lehren das Haus wieder aufthun,
wenn er nur ein paar Tage ſo eingeſperrt ſeyn,
und es haben muͤßte wie ſie bey ihrem Mann,
ſeitdem daſſelbe zu ſeye.

Des Aebis Elſi ſagte gar: ſie wollte lieber
in die Hoͤlle als es ein halb Jahr ſo haben,
wie jezt, ſeitdem ihr Mann nicht mehr ins
Wirthshaus koͤnne.

So klagten viele Weiber uͤber ihre Maͤnner.
Andere aber klagten wie dieſe uͤber das beſchloſ-
ſene Haus. — Die Rhynerin mit der rothen
Naſe machte von deswegen das ſchoͤnſte Kalb
ſterben, das im Dorf war; ſie gab ihm ſeit
dem Tag, da das Haus zu war, ſeine Sache
nicht mehr in der Ordnung, und noch dazu
Ribbſtoͤſſe, wenn es nicht im Augenblik recht
wie ſie wollte, zu der Kuh zuſtuhnd. — Wenn
mans ſo macht, ſo iſts mit einem Kalb und
mit einem jeden jungen Geſchoͤpf bald aus.

Es gieng auch manches darauf. — Was
will ich ſagen? ſelber ihre Kinder empfanden
beym Strehlen und anderm mehr, daß ihren
Muͤttern ganz gewiß etwas nicht recht liegen
muͤſſe. — Und der Leuͤppi machte auf ſeinem

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[324/0346] im Dorf den groͤßten Jammer hatten, und die wunderlichſten Reden daruͤber im Dorf her- umgegangen. Die Muͤggerin ſagte in den erſten acht Ta- gen bey dem offenen Brunnen: es wuͤrde den Junker wohl lehren das Haus wieder aufthun, wenn er nur ein paar Tage ſo eingeſperrt ſeyn, und es haben muͤßte wie ſie bey ihrem Mann, ſeitdem daſſelbe zu ſeye. Des Aebis Elſi ſagte gar: ſie wollte lieber in die Hoͤlle als es ein halb Jahr ſo haben, wie jezt, ſeitdem ihr Mann nicht mehr ins Wirthshaus koͤnne. So klagten viele Weiber uͤber ihre Maͤnner. Andere aber klagten wie dieſe uͤber das beſchloſ- ſene Haus. — Die Rhynerin mit der rothen Naſe machte von deswegen das ſchoͤnſte Kalb ſterben, das im Dorf war; ſie gab ihm ſeit dem Tag, da das Haus zu war, ſeine Sache nicht mehr in der Ordnung, und noch dazu Ribbſtoͤſſe, wenn es nicht im Augenblik recht wie ſie wollte, zu der Kuh zuſtuhnd. — Wenn mans ſo macht, ſo iſts mit einem Kalb und mit einem jeden jungen Geſchoͤpf bald aus. Es gieng auch manches darauf. — Was will ich ſagen? ſelber ihre Kinder empfanden beym Strehlen und anderm mehr, daß ihren Muͤttern ganz gewiß etwas nicht recht liegen muͤſſe. — Und der Leuͤppi machte auf ſeinem

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Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785, S. 324. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785/346>, abgerufen am 24.11.2024.