Am meisten aber machte das: die Reichen waren bis jezt gewohnt die Armen als eine Art Knechte anzusehen, die wie dazu gebohren seyen ihnen um den halben Lohn, den sie an- derstwo haben könnten, alle Arten Dienste zu thun, und es machte z. E. einer solchen diken Frauen gar nichts, ihre arme Gevatterin einen ganzen Nachmittag bey ihr arbeiten zu machen, und sie denn am Abend vor dem Nachtessen mit einem Stük Brod, und etwann einer ab- genommenen Milch heimzuschiken.
Aber es ist vorbey, -- Gevatterin hin, und Gevatterin her: die Armen wollen das nicht mehr so verstehen, und kommen ihnen nicht mehr, ausser sie geben ihnen so viel Lohn als sie daheim oder anderstwo in der gleichen Zeit verdienen konnten.
Darinn haben sie auch ganz recht.
Aber darinn haben sie unrecht, daß sie, so bald sie einen Eken blauen Himmel sahen, frech und unverschämt wurden, und Leuthen, bey denen sie nur vor ein paar Wochen gebet- telt, jezt die unverschämtesten Antworten ga- ben.
So ließ die Hürnerbeth der Hügin, die ge- wiß wenn je eine im Dorf eine gute Frau ist, da sie ihr bey einem starken Reger sagen ließ, sie soll doch zu ihr kommen, und ihr helfen das Wasser das ihr gegen den Keller laufe ablei-
Am meiſten aber machte das: die Reichen waren bis jezt gewohnt die Armen als eine Art Knechte anzuſehen, die wie dazu gebohren ſeyen ihnen um den halben Lohn, den ſie an- derſtwo haben koͤnnten, alle Arten Dienſte zu thun, und es machte z. E. einer ſolchen diken Frauen gar nichts, ihre arme Gevatterin einen ganzen Nachmittag bey ihr arbeiten zu machen, und ſie denn am Abend vor dem Nachteſſen mit einem Stuͤk Brod, und etwann einer ab- genommenen Milch heimzuſchiken.
Aber es iſt vorbey, — Gevatterin hin, und Gevatterin her: die Armen wollen das nicht mehr ſo verſtehen, und kommen ihnen nicht mehr, auſſer ſie geben ihnen ſo viel Lohn als ſie daheim oder anderſtwo in der gleichen Zeit verdienen konnten.
Darinn haben ſie auch ganz recht.
Aber darinn haben ſie unrecht, daß ſie, ſo bald ſie einen Eken blauen Himmel ſahen, frech und unverſchaͤmt wurden, und Leuthen, bey denen ſie nur vor ein paar Wochen gebet- telt, jezt die unverſchaͤmteſten Antworten ga- ben.
So ließ die Huͤrnerbeth der Huͤgin, die ge- wiß wenn je eine im Dorf eine gute Frau iſt, da ſie ihr bey einem ſtarken Reger ſagen ließ, ſie ſoll doch zu ihr kommen, und ihr helfen das Waſſer das ihr gegen den Keller laufe ablei-
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Am meiſten aber machte das: die Reichen
waren bis jezt gewohnt die Armen als eine
Art Knechte anzuſehen, die wie dazu gebohren
ſeyen ihnen um den halben Lohn, den ſie an-
derſtwo haben koͤnnten, alle Arten Dienſte zu
thun, und es machte z. E. einer ſolchen diken
Frauen gar nichts, ihre arme Gevatterin einen
ganzen Nachmittag bey ihr arbeiten zu machen,
und ſie denn am Abend vor dem Nachteſſen
mit einem Stuͤk Brod, und etwann einer ab-
genommenen Milch heimzuſchiken.
Aber es iſt vorbey, — Gevatterin hin,
und Gevatterin her: die Armen wollen das nicht
mehr ſo verſtehen, und kommen ihnen nicht
mehr, auſſer ſie geben ihnen ſo viel Lohn als
ſie daheim oder anderſtwo in der gleichen Zeit
verdienen konnten.
Darinn haben ſie auch ganz recht.
Aber darinn haben ſie unrecht, daß ſie, ſo
bald ſie einen Eken blauen Himmel ſahen,
frech und unverſchaͤmt wurden, und Leuthen,
bey denen ſie nur vor ein paar Wochen gebet-
telt, jezt die unverſchaͤmteſten Antworten ga-
ben.
So ließ die Huͤrnerbeth der Huͤgin, die ge-
wiß wenn je eine im Dorf eine gute Frau iſt,
da ſie ihr bey einem ſtarken Reger ſagen ließ,
ſie ſoll doch zu ihr kommen, und ihr helfen das
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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785, S. 330. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785/352>, abgerufen am 24.11.2024.
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