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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785.

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immer nichts. So lang er neben ihnen zu-
stuhnd, schienen sie wohl einem Anlauf zu neh-
men, aber mehrentheils giengs keine 14 Tage,
bis er sahe, daß sie noch die Alten sind, und
die Alten bleiben werden.

So giengs ihm mit dem Triefaug. Er hatte
kaum sich von dem Schreken erholet, und ein
paar mal wieder wohl geschlafen, so war ihm
schon alles aus dem Kopf, was ihm vor der
Vögtin Todbett das Herz ein wenig, vor ein
paar Tagen, weich gemacht hatte.

Und so wie dieses wegfiel, wuchs in ihm
wieder die Bitterkeit über den Junker, daß er
ihn so auf der Tragbahren im Bett über den
Kirchhof unter die Linde tragen lassen, und
ihm einen Schimpf angethan, wie man keinem
Hund anthun sollte. Er war wie rasend darü-
ber, wenn er daran denkte, daß er einmal über
das andere in Keller lief, seine Wuth zu ver-
treiben, und es kam ihm kein Sinn mehr dar-
an, das, was er dem Pfarrer mit dem Doktor
Miller versprochen, zu halten.

Zwar schlug er es ihm nicht in den Bart hin-
ein ab; aber er hatte immer einen Vorwand,
wenn dieser davon redte.

Bald mußte er noch Schriften und Papier
zusammen suchen, ehe er es thun könnte.

Bald es sey noch die Frage, ob dem Doktor
Miller damit gedient sey?


immer nichts. So lang er neben ihnen zu-
ſtuhnd, ſchienen ſie wohl einem Anlauf zu neh-
men, aber mehrentheils giengs keine 14 Tage,
bis er ſahe, daß ſie noch die Alten ſind, und
die Alten bleiben werden.

So giengs ihm mit dem Triefaug. Er hatte
kaum ſich von dem Schreken erholet, und ein
paar mal wieder wohl geſchlafen, ſo war ihm
ſchon alles aus dem Kopf, was ihm vor der
Voͤgtin Todbett das Herz ein wenig, vor ein
paar Tagen, weich gemacht hatte.

Und ſo wie dieſes wegfiel, wuchs in ihm
wieder die Bitterkeit uͤber den Junker, daß er
ihn ſo auf der Tragbahren im Bett uͤber den
Kirchhof unter die Linde tragen laſſen, und
ihm einen Schimpf angethan, wie man keinem
Hund anthun ſollte. Er war wie raſend daruͤ-
ber, wenn er daran denkte, daß er einmal uͤber
das andere in Keller lief, ſeine Wuth zu ver-
treiben, und es kam ihm kein Sinn mehr dar-
an, das, was er dem Pfarrer mit dem Doktor
Miller verſprochen, zu halten.

Zwar ſchlug er es ihm nicht in den Bart hin-
ein ab; aber er hatte immer einen Vorwand,
wenn dieſer davon redte.

Bald mußte er noch Schriften und Papier
zuſammen ſuchen, ehe er es thun koͤnnte.

Bald es ſey noch die Frage, ob dem Doktor
Miller damit gedient ſey?


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[347/0369] immer nichts. So lang er neben ihnen zu- ſtuhnd, ſchienen ſie wohl einem Anlauf zu neh- men, aber mehrentheils giengs keine 14 Tage, bis er ſahe, daß ſie noch die Alten ſind, und die Alten bleiben werden. So giengs ihm mit dem Triefaug. Er hatte kaum ſich von dem Schreken erholet, und ein paar mal wieder wohl geſchlafen, ſo war ihm ſchon alles aus dem Kopf, was ihm vor der Voͤgtin Todbett das Herz ein wenig, vor ein paar Tagen, weich gemacht hatte. Und ſo wie dieſes wegfiel, wuchs in ihm wieder die Bitterkeit uͤber den Junker, daß er ihn ſo auf der Tragbahren im Bett uͤber den Kirchhof unter die Linde tragen laſſen, und ihm einen Schimpf angethan, wie man keinem Hund anthun ſollte. Er war wie raſend daruͤ- ber, wenn er daran denkte, daß er einmal uͤber das andere in Keller lief, ſeine Wuth zu ver- treiben, und es kam ihm kein Sinn mehr dar- an, das, was er dem Pfarrer mit dem Doktor Miller verſprochen, zu halten. Zwar ſchlug er es ihm nicht in den Bart hin- ein ab; aber er hatte immer einen Vorwand, wenn dieſer davon redte. Bald mußte er noch Schriften und Papier zuſammen ſuchen, ehe er es thun koͤnnte. Bald es ſey noch die Frage, ob dem Doktor Miller damit gedient ſey?

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Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785, S. 347. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785/369>, abgerufen am 24.11.2024.