genarbeit noch so munter als den Tag über auf dem Kirchhof; singt mehrentheils noch mit seiner Frau und mit seinen Kindern ihre Morgenlieder, und tönt oft ihre Weise fort, den ganzen Weg über, bis er zu seinen Ge- sellen kommt. --
§. 8. Ein Reyhen schlechter Gesichter.
Da vergeht ihm aber denn meistens das Liedersingen bald; die Menschen haben überhaupt wenig Tagsarbeit, bey deren man so fortsingen kan; und die sind schon glüklich die nur am Morgen und Abend mit frohem Herzen singen.
Des Lienerts sein Tagwerk ist nichts we- niger als leicht: Er hat jezt 9 Gesellen und 8 Taglöhner, und mit diesen leztern fast alle Stund Verdruß; mit den Gesellen aber die fremd sind, und wissen was im Land der Brauch und Recht ist, nicht den Zehnden so viel.
Aber die Taglöhner meynen gar, es sey alles recht, was sie thun; da sie aus seinem Dorf sind, kennen sie ihn und wissen daß er zu mitleidig, sie so leicht aus der Arbeit zu schi- ken. -- Auf diese Rechnung hin thun sie was
genarbeit noch ſo munter als den Tag uͤber auf dem Kirchhof; ſingt mehrentheils noch mit ſeiner Frau und mit ſeinen Kindern ihre Morgenlieder, und toͤnt oft ihre Weiſe fort, den ganzen Weg uͤber, bis er zu ſeinen Ge- ſellen kommt. —
§. 8. Ein Reyhen ſchlechter Geſichter.
Da vergeht ihm aber denn meiſtens das Liederſingen bald; die Menſchen haben uͤberhaupt wenig Tagsarbeit, bey deren man ſo fortſingen kan; und die ſind ſchon gluͤklich die nur am Morgen und Abend mit frohem Herzen ſingen.
Des Lienerts ſein Tagwerk iſt nichts we- niger als leicht: Er hat jezt 9 Geſellen und 8 Tagloͤhner, und mit dieſen leztern faſt alle Stund Verdruß; mit den Geſellen aber die fremd ſind, und wiſſen was im Land der Brauch und Recht iſt, nicht den Zehnden ſo viel.
Aber die Tagloͤhner meynen gar, es ſey alles recht, was ſie thun; da ſie aus ſeinem Dorf ſind, kennen ſie ihn und wiſſen daß er zu mitleidig, ſie ſo leicht aus der Arbeit zu ſchi- ken. — Auf dieſe Rechnung hin thun ſie was
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0053"n="31"/>
genarbeit noch ſo munter als den Tag uͤber<lb/>
auf dem Kirchhof; ſingt mehrentheils noch<lb/>
mit ſeiner Frau und mit ſeinen Kindern ihre<lb/>
Morgenlieder, und toͤnt oft ihre Weiſe fort,<lb/>
den ganzen Weg uͤber, bis er zu ſeinen Ge-<lb/>ſellen kommt. —</p></div><lb/><divn="1"><head>§. 8.<lb/>
Ein Reyhen ſchlechter Geſichter.</head><lb/><p><hirendition="#in">D</hi>a vergeht ihm aber denn meiſtens das<lb/>
Liederſingen bald; die Menſchen haben<lb/>
uͤberhaupt wenig Tagsarbeit, bey deren man<lb/>ſo fortſingen kan; und die ſind ſchon gluͤklich<lb/>
die nur am Morgen und Abend mit frohem<lb/>
Herzen ſingen.</p><lb/><p>Des Lienerts ſein Tagwerk iſt nichts we-<lb/>
niger als leicht: Er hat jezt 9 Geſellen und<lb/>
8 Tagloͤhner, und mit dieſen leztern faſt alle<lb/>
Stund Verdruß; mit den Geſellen aber die<lb/>
fremd ſind, und wiſſen was im Land der<lb/>
Brauch und Recht iſt, nicht den Zehnden ſo<lb/>
viel.</p><lb/><p>Aber die Tagloͤhner meynen gar, es ſey<lb/>
alles recht, was ſie thun; da ſie aus ſeinem<lb/>
Dorf ſind, kennen ſie ihn und wiſſen daß er<lb/>
zu mitleidig, ſie ſo leicht aus der Arbeit zu ſchi-<lb/>
ken. — Auf dieſe Rechnung hin thun ſie was<lb/></p></div></body></text></TEI>
[31/0053]
genarbeit noch ſo munter als den Tag uͤber
auf dem Kirchhof; ſingt mehrentheils noch
mit ſeiner Frau und mit ſeinen Kindern ihre
Morgenlieder, und toͤnt oft ihre Weiſe fort,
den ganzen Weg uͤber, bis er zu ſeinen Ge-
ſellen kommt. —
§. 8.
Ein Reyhen ſchlechter Geſichter.
Da vergeht ihm aber denn meiſtens das
Liederſingen bald; die Menſchen haben
uͤberhaupt wenig Tagsarbeit, bey deren man
ſo fortſingen kan; und die ſind ſchon gluͤklich
die nur am Morgen und Abend mit frohem
Herzen ſingen.
Des Lienerts ſein Tagwerk iſt nichts we-
niger als leicht: Er hat jezt 9 Geſellen und
8 Tagloͤhner, und mit dieſen leztern faſt alle
Stund Verdruß; mit den Geſellen aber die
fremd ſind, und wiſſen was im Land der
Brauch und Recht iſt, nicht den Zehnden ſo
viel.
Aber die Tagloͤhner meynen gar, es ſey
alles recht, was ſie thun; da ſie aus ſeinem
Dorf ſind, kennen ſie ihn und wiſſen daß er
zu mitleidig, ſie ſo leicht aus der Arbeit zu ſchi-
ken. — Auf dieſe Rechnung hin thun ſie was
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785/53>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.