Er wußte es nicht; und meynte noch erst vor kurzem, er müsse einen jeden anhören so lang er rede; und Antwort geben wenn er komme; aber er fieng an zu spühren, daß man ihm täglich mehr unnüzes Geschwäz, und oft noch gar Lügen in die Stube hinein bringe; und so überladen als er jezt war, fühlte er die ganze Last dieses Jugendfehlers, und nahm den Entschluß, den ersten Anlaß zu ergreifen, dieser Zudringlichkeit ein Ende zu machen, und den ersten besten, der es ein wenig arg machen werde, also zu beschämen, daß die andern bey Haus bleiben wenn sie nichts bey ihm zu thun haben. -- Es traf eine Linden- bergerin. -- Als diese vernahm wie und was er mit dem Baumwollen-Meyer und seiner Schwester geschwazt, stellte sie sich vor, sie seye gar viel mehr als diese Schnattergans, und wisse gar viel besser wie es im Dorf stehe als sie und ihr Bruder der Heinimuch: sie meynte oben darein sie sey auch aufs wenigste so artig als Gertrud; und könne sicher besser schwazen als sie.
Da puzte sie sich auf als wenn sie an eine Hochzeit wollte, träumte den ganzen Weg über von den hundert Sachen die sie dem Junker über das Dorf erzählen wolle, und von denen das Mareylj und der Meyer ihr Lebtag kein Wort vernohmen.
Er wußte es nicht; und meynte noch erſt vor kurzem, er muͤſſe einen jeden anhoͤren ſo lang er rede; und Antwort geben wenn er komme; aber er fieng an zu ſpuͤhren, daß man ihm taͤglich mehr unnuͤzes Geſchwaͤz, und oft noch gar Luͤgen in die Stube hinein bringe; und ſo uͤberladen als er jezt war, fuͤhlte er die ganze Laſt dieſes Jugendfehlers, und nahm den Entſchluß, den erſten Anlaß zu ergreifen, dieſer Zudringlichkeit ein Ende zu machen, und den erſten beſten, der es ein wenig arg machen werde, alſo zu beſchaͤmen, daß die andern bey Haus bleiben wenn ſie nichts bey ihm zu thun haben. — Es traf eine Linden- bergerin. — Als dieſe vernahm wie und was er mit dem Baumwollen-Meyer und ſeiner Schweſter geſchwazt, ſtellte ſie ſich vor, ſie ſeye gar viel mehr als dieſe Schnattergans, und wiſſe gar viel beſſer wie es im Dorf ſtehe als ſie und ihr Bruder der Heinimuch: ſie meynte oben darein ſie ſey auch aufs wenigſte ſo artig als Gertrud; und koͤnne ſicher beſſer ſchwazen als ſie.
Da puzte ſie ſich auf als wenn ſie an eine Hochzeit wollte, traͤumte den ganzen Weg uͤber von den hundert Sachen die ſie dem Junker uͤber das Dorf erzaͤhlen wolle, und von denen das Mareylj und der Meyer ihr Lebtag kein Wort vernohmen.
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[59/0081]
Er wußte es nicht; und meynte noch erſt
vor kurzem, er muͤſſe einen jeden anhoͤren ſo
lang er rede; und Antwort geben wenn er
komme; aber er fieng an zu ſpuͤhren, daß man
ihm taͤglich mehr unnuͤzes Geſchwaͤz, und oft
noch gar Luͤgen in die Stube hinein bringe;
und ſo uͤberladen als er jezt war, fuͤhlte er die
ganze Laſt dieſes Jugendfehlers, und nahm
den Entſchluß, den erſten Anlaß zu ergreifen,
dieſer Zudringlichkeit ein Ende zu machen,
und den erſten beſten, der es ein wenig arg
machen werde, alſo zu beſchaͤmen, daß die
andern bey Haus bleiben wenn ſie nichts bey
ihm zu thun haben. — Es traf eine Linden-
bergerin. — Als dieſe vernahm wie und was
er mit dem Baumwollen-Meyer und ſeiner
Schweſter geſchwazt, ſtellte ſie ſich vor, ſie ſeye
gar viel mehr als dieſe Schnattergans, und
wiſſe gar viel beſſer wie es im Dorf ſtehe als
ſie und ihr Bruder der Heinimuch: ſie meynte
oben darein ſie ſey auch aufs wenigſte ſo artig
als Gertrud; und koͤnne ſicher beſſer ſchwazen
als ſie.
Da puzte ſie ſich auf als wenn ſie an eine
Hochzeit wollte, traͤumte den ganzen Weg
uͤber von den hundert Sachen die ſie dem
Junker uͤber das Dorf erzaͤhlen wolle, und
von denen das Mareylj und der Meyer ihr
Lebtag kein Wort vernohmen.
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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785/81>, abgerufen am 25.11.2024.
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