Arner ließ die Bauren jezt machen, wie wenn er nicht da wäre; er wußte daß die Bauren, wenn sie Land theilen und wie al- lein sind, sich ganz anders zeigen als wenn sie mit dem Hut in der Hand vor dem Erb- herrn stehen und gerne hätten daß er sie für arme Tröpf und Halbnarren hielt.
Mein Großvater hatte zum Sprichwort: das Theilen zeiget was die Leuthe sind, und das Haben macht aus ihnen was sie sind.
Der Junker nüzte den Anlaß, den er hatte, seine Leuthe kennen zu lehrnen; Er entzog ihnen keinen Blik, und sah' bey je- dem besseren Stük Land, wie sie ihre Gie- rigkeit auf hunderterley Art äusserten.
Es war dem einten im Mund, dem an- dern im Aug, dem dritten in Händen, dem vierten in Füssen, wie man ihn ansah; je nachdem er einen dikeren Bauch, oder län- gere Beine, oder einen platten oder einen spizigen Kopf, ein schmales oder ein breites Maul, oder so oder eine andere Nase und Stirn hatte, so zeigte er auch diese Gierig- keit anderst als alle anderen.
Das war Eins. -- Neben dem hörte er in diesen paar Stunden mehr wahres über den eigentlichen Feldbau und über die hun- derterley Umstände, auf welche es dem Baur, ohne daß er davon redt, hauptsächlich an-
Arner ließ die Bauren jezt machen, wie wenn er nicht da waͤre; er wußte daß die Bauren, wenn ſie Land theilen und wie al- lein ſind, ſich ganz anders zeigen als wenn ſie mit dem Hut in der Hand vor dem Erb- herrn ſtehen und gerne haͤtten daß er ſie fuͤr arme Troͤpf und Halbnarren hielt.
Mein Großvater hatte zum Sprichwort: das Theilen zeiget was die Leuthe ſind, und das Haben macht aus ihnen was ſie ſind.
Der Junker nuͤzte den Anlaß, den er hatte, ſeine Leuthe kennen zu lehrnen; Er entzog ihnen keinen Blik, und ſah’ bey je- dem beſſeren Stuͤk Land, wie ſie ihre Gie- rigkeit auf hunderterley Art aͤuſſerten.
Es war dem einten im Mund, dem an- dern im Aug, dem dritten in Haͤnden, dem vierten in Fuͤſſen, wie man ihn anſah; je nachdem er einen dikeren Bauch, oder laͤn- gere Beine, oder einen platten oder einen ſpizigen Kopf, ein ſchmales oder ein breites Maul, oder ſo oder eine andere Naſe und Stirn hatte, ſo zeigte er auch dieſe Gierig- keit anderſt als alle anderen.
Das war Eins. — Neben dem hoͤrte er in dieſen paar Stunden mehr wahres uͤber den eigentlichen Feldbau und uͤber die hun- derterley Umſtaͤnde, auf welche es dem Baur, ohne daß er davon redt, hauptſaͤchlich an-
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Arner ließ die Bauren jezt machen, wie
wenn er nicht da waͤre; er wußte daß die
Bauren, wenn ſie Land theilen und wie al-
lein ſind, ſich ganz anders zeigen als wenn
ſie mit dem Hut in der Hand vor dem Erb-
herrn ſtehen und gerne haͤtten daß er ſie fuͤr
arme Troͤpf und Halbnarren hielt.
Mein Großvater hatte zum Sprichwort:
das Theilen zeiget was die Leuthe ſind, und
das Haben macht aus ihnen was ſie ſind.
Der Junker nuͤzte den Anlaß, den er
hatte, ſeine Leuthe kennen zu lehrnen; Er
entzog ihnen keinen Blik, und ſah’ bey je-
dem beſſeren Stuͤk Land, wie ſie ihre Gie-
rigkeit auf hunderterley Art aͤuſſerten.
Es war dem einten im Mund, dem an-
dern im Aug, dem dritten in Haͤnden, dem
vierten in Fuͤſſen, wie man ihn anſah; je
nachdem er einen dikeren Bauch, oder laͤn-
gere Beine, oder einen platten oder einen
ſpizigen Kopf, ein ſchmales oder ein breites
Maul, oder ſo oder eine andere Naſe und
Stirn hatte, ſo zeigte er auch dieſe Gierig-
keit anderſt als alle anderen.
Das war Eins. — Neben dem hoͤrte er
in dieſen paar Stunden mehr wahres uͤber
den eigentlichen Feldbau und uͤber die hun-
derterley Umſtaͤnde, auf welche es dem Baur,
ohne daß er davon redt, hauptſaͤchlich an-
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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785/94>, abgerufen am 27.11.2024.
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