mit dem Maul ein Weit und Breites über die Sachen zu machen und ihnen die Einbildung im Kopf so anfüllt, daß das rechte Alltags- hirn und der Brauchverstand im menschlichen Leben darunter leidet.
Pfarrer. Gut erklärt Herr Professor! ich bin des Liri Lariwesens halber jezt völlig Ihrer Meynung.
Der Lieutenant. Den Pfarrer steif anse- hend; so weit sie langt?
Pfarrer. Ja, so weit sie langt -- ich bin überzeugt daß man die Menschen unverhält- nißmäßig viel mit dem Maul lehrt, und daß man ihre besten Anlagen verderbt, und das Fundament ihres Hausglüks zerstört; indem man ihnen den Kopf voll Wörter macht, ehe sie Verstand und Erfahrung haben.
Lieutenant. Nun! so hätte ich nicht aus- drüken können was ich meyne.
Pfarrer. Sie scherzen. -- Aber wie ha- ben Sie in ihrem Stand, den Schaden des Wortwesens, der, wenn man das Kind mit seinem rechten Nahmen taufen wollte, der Pfrund- und Pfarrer-Schaden heissen sollte, so kennen gelehrnt?
Lieutenant. Mein lahmes Bein und mein vieljähriges Brodsuchen hat mich gar vieles kennen gelehrnt; und so gewiß als mir ein Herr lahm vorgeprediget, was er mir vor eine Ar- beit auftrage, so gewiß gab's hinten nach dieß
mit dem Maul ein Weit und Breites uͤber die Sachen zu machen und ihnen die Einbildung im Kopf ſo anfuͤllt, daß das rechte Alltags- hirn und der Brauchverſtand im menſchlichen Leben darunter leidet.
Pfarrer. Gut erklaͤrt Herr Profeſſor! ich bin des Liri Lariweſens halber jezt voͤllig Ihrer Meynung.
Der Lieutenant. Den Pfarrer ſteif anſe- hend; ſo weit ſie langt?
Pfarrer. Ja, ſo weit ſie langt — ich bin uͤberzeugt daß man die Menſchen unverhaͤlt- nißmaͤßig viel mit dem Maul lehrt, und daß man ihre beſten Anlagen verderbt, und das Fundament ihres Hausgluͤks zerſtoͤrt; indem man ihnen den Kopf voll Woͤrter macht, ehe ſie Verſtand und Erfahrung haben.
Lieutenant. Nun! ſo haͤtte ich nicht aus- druͤken koͤnnen was ich meyne.
Pfarrer. Sie ſcherzen. — Aber wie ha- ben Sie in ihrem Stand, den Schaden des Wortweſens, der, wenn man das Kind mit ſeinem rechten Nahmen taufen wollte, der Pfrund- und Pfarrer-Schaden heiſſen ſollte, ſo kennen gelehrnt?
Lieutenant. Mein lahmes Bein und mein vieljaͤhriges Brodſuchen hat mich gar vieles kennen gelehrnt; und ſo gewiß als mir ein Herr lahm vorgeprediget, was er mir vor eine Ar- beit auftrage, ſo gewiß gab’s hinten nach dieß
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0098"n="76"/>
mit dem Maul ein Weit und Breites uͤber die<lb/>
Sachen zu machen und ihnen die Einbildung<lb/>
im Kopf ſo anfuͤllt, daß das rechte Alltags-<lb/>
hirn und der Brauchverſtand im menſchlichen<lb/>
Leben darunter leidet.</p><lb/><p><hirendition="#fr">Pfarrer</hi>. Gut erklaͤrt Herr Profeſſor! ich<lb/>
bin des Liri Lariweſens halber jezt voͤllig Ihrer<lb/>
Meynung.</p><lb/><p><hirendition="#fr">Der Lieutenant</hi>. Den Pfarrer ſteif anſe-<lb/>
hend; ſo weit ſie langt?</p><lb/><p><hirendition="#fr">Pfarrer</hi>. Ja, ſo weit ſie langt — ich bin<lb/>
uͤberzeugt daß man die Menſchen unverhaͤlt-<lb/>
nißmaͤßig viel mit dem Maul lehrt, und daß<lb/>
man ihre beſten Anlagen verderbt, und das<lb/>
Fundament ihres Hausgluͤks zerſtoͤrt; indem<lb/>
man ihnen den Kopf voll Woͤrter macht, ehe<lb/>ſie Verſtand und Erfahrung haben.</p><lb/><p><hirendition="#fr">Lieutenant</hi>. Nun! ſo haͤtte ich nicht aus-<lb/>
druͤken koͤnnen was ich meyne.</p><lb/><p><hirendition="#fr">Pfarrer</hi>. Sie ſcherzen. — Aber wie ha-<lb/>
ben Sie in ihrem Stand, den Schaden des<lb/>
Wortweſens, der, wenn man das Kind mit<lb/>ſeinem rechten Nahmen taufen wollte, der<lb/>
Pfrund- und Pfarrer-Schaden heiſſen ſollte,<lb/>ſo kennen gelehrnt?</p><lb/><p><hirendition="#fr">Lieutenant</hi>. Mein lahmes Bein und mein<lb/>
vieljaͤhriges Brodſuchen hat mich gar vieles<lb/>
kennen gelehrnt; und ſo gewiß als mir ein Herr<lb/>
lahm vorgeprediget, was er mir vor eine Ar-<lb/>
beit auftrage, ſo gewiß gab’s hinten nach dieß<lb/></p></div></body></text></TEI>
[76/0098]
mit dem Maul ein Weit und Breites uͤber die
Sachen zu machen und ihnen die Einbildung
im Kopf ſo anfuͤllt, daß das rechte Alltags-
hirn und der Brauchverſtand im menſchlichen
Leben darunter leidet.
Pfarrer. Gut erklaͤrt Herr Profeſſor! ich
bin des Liri Lariweſens halber jezt voͤllig Ihrer
Meynung.
Der Lieutenant. Den Pfarrer ſteif anſe-
hend; ſo weit ſie langt?
Pfarrer. Ja, ſo weit ſie langt — ich bin
uͤberzeugt daß man die Menſchen unverhaͤlt-
nißmaͤßig viel mit dem Maul lehrt, und daß
man ihre beſten Anlagen verderbt, und das
Fundament ihres Hausgluͤks zerſtoͤrt; indem
man ihnen den Kopf voll Woͤrter macht, ehe
ſie Verſtand und Erfahrung haben.
Lieutenant. Nun! ſo haͤtte ich nicht aus-
druͤken koͤnnen was ich meyne.
Pfarrer. Sie ſcherzen. — Aber wie ha-
ben Sie in ihrem Stand, den Schaden des
Wortweſens, der, wenn man das Kind mit
ſeinem rechten Nahmen taufen wollte, der
Pfrund- und Pfarrer-Schaden heiſſen ſollte,
ſo kennen gelehrnt?
Lieutenant. Mein lahmes Bein und mein
vieljaͤhriges Brodſuchen hat mich gar vieles
kennen gelehrnt; und ſo gewiß als mir ein Herr
lahm vorgeprediget, was er mir vor eine Ar-
beit auftrage, ſo gewiß gab’s hinten nach dieß
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785/98>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.