nicht hinunter schlucken, sein Leben zu erretten, springen für ihn nicht mehr in Feuer und Wasser, theilen nicht mehr mit ihm den lezten Bissen, wann er erwachsen ist, und sagen ihm vielmehr, hilf dir izt selber, du bist erzogen! --
Und im Grund ist es vollkommen recht, und für das Menschengeschlecht gut, daß Aeltern und Obrigkeiten die Menschen dahin weisen, und es ist wider ihre Rede, "ihr seyd erzogen, und helfet euch selber", nichts zu sagen, wenn sie nemlich wahr ist, aber wenn sie nicht wahr ist, wenn Kind und Volk nicht erzogen sind, sich selber helfen zu können, wenn vielmehr die armen Geschöpfe in beyden Verhältnissen verwahrloset, zu Krüppeln und Serblingen (Schwindsüchtigen) gemacht und un- mündig gelassen werden, nichts sind, und nichts aus sich machen, und sich nicht helfen können, und man ihnen dann doch sagt, hilf dir selber, du bist erzogen! -- und -- wohl noch etwas anders darzu -- dann ist es freylich was anders. --
O -- Arner -- Arner! wie sahest du das ein, und wie würdest du helfen, wenn du lebtest; aber Gott im Himmel, was können wir hoffen? Lernet doch arme Menschen! lernet euch selber versorgen, es versorget euch Niemand! --
So redete der Mann --! Und wer verziehet ihm, wer verziehet der Rickenbergerin diese Sprache nicht? --
nicht hinunter ſchlucken, ſein Leben zu erretten, ſpringen fuͤr ihn nicht mehr in Feuer und Waſſer, theilen nicht mehr mit ihm den lezten Biſſen, wann er erwachſen iſt, und ſagen ihm vielmehr, hilf dir izt ſelber, du biſt erzogen! —
Und im Grund iſt es vollkommen recht, und fuͤr das Menſchengeſchlecht gut, daß Aeltern und Obrigkeiten die Menſchen dahin weiſen, und es iſt wider ihre Rede, „ihr ſeyd erzogen, und helfet euch ſelber“, nichts zu ſagen, wenn ſie nemlich wahr iſt, aber wenn ſie nicht wahr iſt, wenn Kind und Volk nicht erzogen ſind, ſich ſelber helfen zu koͤnnen, wenn vielmehr die armen Geſchoͤpfe in beyden Verhaͤltniſſen verwahrloſet, zu Kruͤppeln und Serblingen (Schwindſuͤchtigen) gemacht und un- muͤndig gelaſſen werden, nichts ſind, und nichts aus ſich machen, und ſich nicht helfen koͤnnen, und man ihnen dann doch ſagt, hilf dir ſelber, du biſt erzogen! — und — wohl noch etwas anders darzu — dann iſt es freylich was anders. —
O — Arner — Arner! wie ſaheſt du das ein, und wie wuͤrdeſt du helfen, wenn du lebteſt; aber Gott im Himmel, was koͤnnen wir hoffen? Lernet doch arme Menſchen! lernet euch ſelber verſorgen, es verſorget euch Niemand! —
So redete der Mann —! Und wer verziehet ihm, wer verziehet der Rickenbergerin dieſe Sprache nicht? —
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nicht hinunter ſchlucken, ſein Leben zu erretten,
ſpringen fuͤr ihn nicht mehr in Feuer und Waſſer,
theilen nicht mehr mit ihm den lezten Biſſen, wann
er erwachſen iſt, und ſagen ihm vielmehr, hilf dir
izt ſelber, du biſt erzogen! —
Und im Grund iſt es vollkommen recht, und
fuͤr das Menſchengeſchlecht gut, daß Aeltern und
Obrigkeiten die Menſchen dahin weiſen, und es iſt
wider ihre Rede, „ihr ſeyd erzogen, und helfet
euch ſelber“, nichts zu ſagen, wenn ſie nemlich
wahr iſt, aber wenn ſie nicht wahr iſt, wenn Kind
und Volk nicht erzogen ſind, ſich ſelber helfen zu
koͤnnen, wenn vielmehr die armen Geſchoͤpfe in
beyden Verhaͤltniſſen verwahrloſet, zu Kruͤppeln und
Serblingen (Schwindſuͤchtigen) gemacht und un-
muͤndig gelaſſen werden, nichts ſind, und nichts
aus ſich machen, und ſich nicht helfen koͤnnen, und
man ihnen dann doch ſagt, hilf dir ſelber, du biſt
erzogen! — und — wohl noch etwas anders darzu
— dann iſt es freylich was anders. —
O — Arner — Arner! wie ſaheſt du das ein,
und wie wuͤrdeſt du helfen, wenn du lebteſt; aber
Gott im Himmel, was koͤnnen wir hoffen? Lernet
doch arme Menſchen! lernet euch ſelber verſorgen,
es verſorget euch Niemand! —
So redete der Mann —! Und wer verziehet
ihm, wer verziehet der Rickenbergerin dieſe Sprache
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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787/150>, abgerufen am 21.11.2024.
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