und der Stärkste gewesen, und das gröste Maul ge- habt, der sey an der Gemeinde, im Gericht und im Chorgerichte, und allenthalben Meister gewesen, und dahin habe sich natürlich ein jedes gelenkt, wodurch er glaubte auch Meister zu werden. -- Man habe die Kinder laufen und aufwachsen lassen wie das unvernünftige Vieh. -- In der frühen Jugend haben die Aeltern über ihre Bosheiten ge- lacht, und dann, wenn sie ihnen damit über den Kopf gewachsen, haben sie mit Streichen dieselben wieder aus ihnen herausschlagen wollen. -- Die Obrigkeit habe es nicht anders gemacht; aber die Erfahrung habe gezeiget, daß sie auf beyden Sei- ten 7 Teufel hineingeschlagen, wo sie geglaubt, ei- nen auszutreiben. Am Ende seyen die Leute dieses Lebens gewohnt worden, daß sie alles haben gehen lassen, wie wenns so seyn müßte, und sich über nichts mehr graue Haare haben wachsen lassen, so wie die Schelmen und Bettler im Wald es auch machen, und so lang sie zu essen und zu trinken haben, die lustigsten Leute von der Welt seyen. Die Kinder seyen bey diesem Leben, wenn sie nicht in den ersten Monaten gestorben, dennoch gesund und frisch aufgewachsen, und da man sie Schaa- renweis mit rothen Backen, und mit Augen wie Feuer in den grösten Fetzen, und halb nackend im Schnee und Eis, und Koth gesehen herum- laufen und Freude haben, so habe man fast nicht
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und der Staͤrkſte geweſen, und das groͤſte Maul ge- habt, der ſey an der Gemeinde, im Gericht und im Chorgerichte, und allenthalben Meiſter geweſen, und dahin habe ſich natuͤrlich ein jedes gelenkt, wodurch er glaubte auch Meiſter zu werden. — Man habe die Kinder laufen und aufwachſen laſſen wie das unvernuͤnftige Vieh. — In der fruͤhen Jugend haben die Aeltern uͤber ihre Bosheiten ge- lacht, und dann, wenn ſie ihnen damit uͤber den Kopf gewachſen, haben ſie mit Streichen dieſelben wieder aus ihnen herausſchlagen wollen. — Die Obrigkeit habe es nicht anders gemacht; aber die Erfahrung habe gezeiget, daß ſie auf beyden Sei- ten 7 Teufel hineingeſchlagen, wo ſie geglaubt, ei- nen auszutreiben. Am Ende ſeyen die Leute dieſes Lebens gewohnt worden, daß ſie alles haben gehen laſſen, wie wenns ſo ſeyn muͤßte, und ſich uͤber nichts mehr graue Haare haben wachſen laſſen, ſo wie die Schelmen und Bettler im Wald es auch machen, und ſo lang ſie zu eſſen und zu trinken haben, die luſtigſten Leute von der Welt ſeyen. Die Kinder ſeyen bey dieſem Leben, wenn ſie nicht in den erſten Monaten geſtorben, dennoch geſund und friſch aufgewachſen, und da man ſie Schaa- renweis mit rothen Backen, und mit Augen wie Feuer in den groͤſten Fetzen, und halb nackend im Schnee und Eis, und Koth geſehen herum- laufen und Freude haben, ſo habe man faſt nicht
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und der Staͤrkſte geweſen, und das groͤſte Maul ge-
habt, der ſey an der Gemeinde, im Gericht und
im Chorgerichte, und allenthalben Meiſter geweſen,
und dahin habe ſich natuͤrlich ein jedes gelenkt,
wodurch er glaubte auch Meiſter zu werden. —
Man habe die Kinder laufen und aufwachſen laſſen
wie das unvernuͤnftige Vieh. — In der fruͤhen
Jugend haben die Aeltern uͤber ihre Bosheiten ge-
lacht, und dann, wenn ſie ihnen damit uͤber den
Kopf gewachſen, haben ſie mit Streichen dieſelben
wieder aus ihnen herausſchlagen wollen. — Die
Obrigkeit habe es nicht anders gemacht; aber die
Erfahrung habe gezeiget, daß ſie auf beyden Sei-
ten 7 Teufel hineingeſchlagen, wo ſie geglaubt, ei-
nen auszutreiben. Am Ende ſeyen die Leute dieſes
Lebens gewohnt worden, daß ſie alles haben gehen
laſſen, wie wenns ſo ſeyn muͤßte, und ſich uͤber
nichts mehr graue Haare haben wachſen laſſen, ſo
wie die Schelmen und Bettler im Wald es auch
machen, und ſo lang ſie zu eſſen und zu trinken
haben, die luſtigſten Leute von der Welt ſeyen.
Die Kinder ſeyen bey dieſem Leben, wenn ſie nicht
in den erſten Monaten geſtorben, dennoch geſund
und friſch aufgewachſen, und da man ſie Schaa-
renweis mit rothen Backen, und mit Augen wie
Feuer in den groͤſten Fetzen, und halb nackend
im Schnee und Eis, und Koth geſehen herum-
laufen und Freude haben, ſo habe man faſt nicht
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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787, S. 177. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787/195>, abgerufen am 21.11.2024.
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