Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787.

Bild:
<< vorherige Seite

So deutlich kamen die Bauern mit ihrer Mey-
nung da hinaus, daß man gegen diesen Fehler nicht
besser wirken könne, als daß man die Kinder wohl
und mit Sorgfalt zu dem erziehe und bilde, was
sie in ihrem Stand und in ihrem Platz in der Welt
seyn müssen, und dem Leichtsinn, der Zügellosigkeit
und Gedankenlosigkeit ihrer Begierden von Jugend
auf entgegen arbeite, um sie zu bedächtlichen,
sorgfältigen, den morgenden Tag, das Alter und
die Nachkommenschaft fest im Aug haltenden Men-
schen zu machen, auf die man in jedem Geschäfte
des Lebens, also auch in diesem ein gutes Ver-
trauen haben könne.

Wie weit sich dieses Vertrauen unter den Alten
gegen die Kinder erstreckt, zeige sich, sagten sie,
auch hierdurch, daß die Bauern sogar auf den Hö-



ehe man die Stärke einer höhern innern See-
lenerhebung in ihrer ganzen Reinheit besizt,
zu nichts als zur Verstellung führt, und den
rohern Arbeitsmenschen den Geradsinn und die
beschränkte aber sichere Kraft seiner eigentlichen
Berufs- und Standssittlichkeit verlieren macht,
ohne ihm etwas bessers dafür zu geben; wer
das weiß, der wird mir die Katz im Sack ver-
ziehen. Es sind Bauernreden, die mit der
Katz im Sack gar nicht die gleichen Vorstellun-
gen verbinden, als die gemeine Leser-Welt,
die aber auch, ehe sie über die Bauernsprache
urtheilt, sie zu erst verstehen lernen sollte. --
Adieu. --

So deutlich kamen die Bauern mit ihrer Mey-
nung da hinaus, daß man gegen dieſen Fehler nicht
beſſer wirken koͤnne, als daß man die Kinder wohl
und mit Sorgfalt zu dem erziehe und bilde, was
ſie in ihrem Stand und in ihrem Platz in der Welt
ſeyn muͤſſen, und dem Leichtſinn, der Zuͤgelloſigkeit
und Gedankenloſigkeit ihrer Begierden von Jugend
auf entgegen arbeite, um ſie zu bedaͤchtlichen,
ſorgfaͤltigen, den morgenden Tag, das Alter und
die Nachkommenſchaft feſt im Aug haltenden Men-
ſchen zu machen, auf die man in jedem Geſchaͤfte
des Lebens, alſo auch in dieſem ein gutes Ver-
trauen haben koͤnne.

Wie weit ſich dieſes Vertrauen unter den Alten
gegen die Kinder erſtreckt, zeige ſich, ſagten ſie,
auch hierdurch, daß die Bauern ſogar auf den Hoͤ-



ehe man die Staͤrke einer hoͤhern innern See-
lenerhebung in ihrer ganzen Reinheit beſizt,
zu nichts als zur Verſtellung fuͤhrt, und den
rohern Arbeitsmenſchen den Geradſinn und die
beſchraͤnkte aber ſichere Kraft ſeiner eigentlichen
Berufs- und Standsſittlichkeit verlieren macht,
ohne ihm etwas beſſers dafuͤr zu geben; wer
das weiß, der wird mir die Katz im Sack ver-
ziehen. Es ſind Bauernreden, die mit der
Katz im Sack gar nicht die gleichen Vorſtellun-
gen verbinden, als die gemeine Leſer-Welt,
die aber auch, ehe ſie uͤber die Bauernſprache
urtheilt, ſie zu erſt verſtehen lernen ſollte. —
Adieu. —
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0212" n="194"/>
        <p>So deutlich kamen die Bauern mit ihrer Mey-<lb/>
nung da hinaus, daß man gegen die&#x017F;en Fehler nicht<lb/>
be&#x017F;&#x017F;er wirken ko&#x0364;nne, als daß man die Kinder wohl<lb/>
und mit Sorgfalt zu dem erziehe und bilde, was<lb/>
&#x017F;ie in ihrem Stand und in ihrem Platz in der Welt<lb/>
&#x017F;eyn mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, und dem Leicht&#x017F;inn, der Zu&#x0364;gello&#x017F;igkeit<lb/>
und Gedankenlo&#x017F;igkeit ihrer Begierden von Jugend<lb/>
auf entgegen arbeite, um &#x017F;ie zu beda&#x0364;chtlichen,<lb/>
&#x017F;orgfa&#x0364;ltigen, den morgenden Tag, das Alter und<lb/>
die Nachkommen&#x017F;chaft fe&#x017F;t im Aug haltenden Men-<lb/>
&#x017F;chen zu machen, auf die man in jedem Ge&#x017F;cha&#x0364;fte<lb/>
des Lebens, al&#x017F;o auch in die&#x017F;em ein gutes Ver-<lb/>
trauen haben ko&#x0364;nne.</p><lb/>
        <p>Wie weit &#x017F;ich die&#x017F;es Vertrauen unter den Alten<lb/>
gegen die Kinder er&#x017F;treckt, zeige &#x017F;ich, &#x017F;agten &#x017F;ie,<lb/>
auch hierdurch, daß die Bauern &#x017F;ogar auf den Ho&#x0364;-<lb/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/><note xml:id="fn01b" prev="#fn01a" place="foot" n="*)">ehe man die Sta&#x0364;rke einer ho&#x0364;hern innern See-<lb/>
lenerhebung in ihrer ganzen Reinheit be&#x017F;izt,<lb/>
zu nichts als zur Ver&#x017F;tellung fu&#x0364;hrt, und den<lb/>
rohern Arbeitsmen&#x017F;chen den Gerad&#x017F;inn und die<lb/>
be&#x017F;chra&#x0364;nkte aber &#x017F;ichere Kraft &#x017F;einer eigentlichen<lb/>
Berufs- und Stands&#x017F;ittlichkeit verlieren macht,<lb/>
ohne ihm etwas be&#x017F;&#x017F;ers dafu&#x0364;r zu geben; wer<lb/>
das weiß, der wird mir die Katz im Sack ver-<lb/>
ziehen. Es &#x017F;ind Bauernreden, die mit der<lb/>
Katz im Sack gar nicht die gleichen Vor&#x017F;tellun-<lb/>
gen verbinden, als die gemeine Le&#x017F;er-Welt,<lb/>
die aber auch, ehe &#x017F;ie u&#x0364;ber die Bauern&#x017F;prache<lb/>
urtheilt, &#x017F;ie zu er&#x017F;t ver&#x017F;tehen lernen &#x017F;ollte. &#x2014;<lb/>
Adieu. &#x2014;</note><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[194/0212] So deutlich kamen die Bauern mit ihrer Mey- nung da hinaus, daß man gegen dieſen Fehler nicht beſſer wirken koͤnne, als daß man die Kinder wohl und mit Sorgfalt zu dem erziehe und bilde, was ſie in ihrem Stand und in ihrem Platz in der Welt ſeyn muͤſſen, und dem Leichtſinn, der Zuͤgelloſigkeit und Gedankenloſigkeit ihrer Begierden von Jugend auf entgegen arbeite, um ſie zu bedaͤchtlichen, ſorgfaͤltigen, den morgenden Tag, das Alter und die Nachkommenſchaft feſt im Aug haltenden Men- ſchen zu machen, auf die man in jedem Geſchaͤfte des Lebens, alſo auch in dieſem ein gutes Ver- trauen haben koͤnne. Wie weit ſich dieſes Vertrauen unter den Alten gegen die Kinder erſtreckt, zeige ſich, ſagten ſie, auch hierdurch, daß die Bauern ſogar auf den Hoͤ- *) *) ehe man die Staͤrke einer hoͤhern innern See- lenerhebung in ihrer ganzen Reinheit beſizt, zu nichts als zur Verſtellung fuͤhrt, und den rohern Arbeitsmenſchen den Geradſinn und die beſchraͤnkte aber ſichere Kraft ſeiner eigentlichen Berufs- und Standsſittlichkeit verlieren macht, ohne ihm etwas beſſers dafuͤr zu geben; wer das weiß, der wird mir die Katz im Sack ver- ziehen. Es ſind Bauernreden, die mit der Katz im Sack gar nicht die gleichen Vorſtellun- gen verbinden, als die gemeine Leſer-Welt, die aber auch, ehe ſie uͤber die Bauernſprache urtheilt, ſie zu erſt verſtehen lernen ſollte. — Adieu. —

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787/212
Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787/212>, abgerufen am 21.11.2024.