anderst seyen, als wenn einer, anstatt sich das Gesicht zu waschen, ein Tuch über den Spiegel herabhängen wollte.
Es sey vor Altem Niemandem in den Sinn gekommen, daß es den Töchtern an Ehren zuwider sey, wenn sie zu Dutzenden mit einander in See gehen zu baden; und eben so habe man nichts da- von gewußt, daß die Mütter, wenn sie säugen, in ihrer Wohnstube ihre Brust vor ihren eigenen Kin- dern verbergen, und daß dieses der Leichtfertigkeit vorbiegen solle; im Gegentheil, man habe just um- gekehrt geglaubt, Unschuld pflanze Unschuld, und die halb erwachsenen Knaben seyen neben den Müt- tern gestanden, und mit dem Brüderli oder Schwe- sterli freundlich gewesen, wenns an ihren Brüsten gelegen, und die Knaben seyen dardurch bewahrt worden, daß sie nicht so frühe in das giftige Stau- nen gefallen, welches die Wollust mehr reize, als alles andere; so sey es damals gewesen, izt sey es anderst.
So kamen die Bauern in Bonnal, in Absicht auf alle Verbrechen, auf die Meynung des Lieute- nants hinaus; und sagten auch über Mord und Aufruhr; Bauern, die erzogen werden, daß sie ihre Aecker und Matten, Gärten und Bündten wohl besorgen, einander freundlich grüßen, im täglichen Leben nicht in die Rede fallen, den alten Leuten
anderſt ſeyen, als wenn einer, anſtatt ſich das Geſicht zu waſchen, ein Tuch uͤber den Spiegel herabhaͤngen wollte.
Es ſey vor Altem Niemandem in den Sinn gekommen, daß es den Toͤchtern an Ehren zuwider ſey, wenn ſie zu Dutzenden mit einander in See gehen zu baden; und eben ſo habe man nichts da- von gewußt, daß die Muͤtter, wenn ſie ſaͤugen, in ihrer Wohnſtube ihre Bruſt vor ihren eigenen Kin- dern verbergen, und daß dieſes der Leichtfertigkeit vorbiegen ſolle; im Gegentheil, man habe juſt um- gekehrt geglaubt, Unſchuld pflanze Unſchuld, und die halb erwachſenen Knaben ſeyen neben den Muͤt- tern geſtanden, und mit dem Bruͤderli oder Schwe- ſterli freundlich geweſen, wenns an ihren Bruͤſten gelegen, und die Knaben ſeyen dardurch bewahrt worden, daß ſie nicht ſo fruͤhe in das giftige Stau- nen gefallen, welches die Wolluſt mehr reize, als alles andere; ſo ſey es damals geweſen, izt ſey es anderſt.
So kamen die Bauern in Bonnal, in Abſicht auf alle Verbrechen, auf die Meynung des Lieute- nants hinaus; und ſagten auch uͤber Mord und Aufruhr; Bauern, die erzogen werden, daß ſie ihre Aecker und Matten, Gaͤrten und Buͤndten wohl beſorgen, einander freundlich gruͤßen, im taͤglichen Leben nicht in die Rede fallen, den alten Leuten
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anderſt ſeyen, als wenn einer, anſtatt ſich das
Geſicht zu waſchen, ein Tuch uͤber den Spiegel
herabhaͤngen wollte.
Es ſey vor Altem Niemandem in den Sinn
gekommen, daß es den Toͤchtern an Ehren zuwider
ſey, wenn ſie zu Dutzenden mit einander in See
gehen zu baden; und eben ſo habe man nichts da-
von gewußt, daß die Muͤtter, wenn ſie ſaͤugen, in
ihrer Wohnſtube ihre Bruſt vor ihren eigenen Kin-
dern verbergen, und daß dieſes der Leichtfertigkeit
vorbiegen ſolle; im Gegentheil, man habe juſt um-
gekehrt geglaubt, Unſchuld pflanze Unſchuld, und
die halb erwachſenen Knaben ſeyen neben den Muͤt-
tern geſtanden, und mit dem Bruͤderli oder Schwe-
ſterli freundlich geweſen, wenns an ihren Bruͤſten
gelegen, und die Knaben ſeyen dardurch bewahrt
worden, daß ſie nicht ſo fruͤhe in das giftige Stau-
nen gefallen, welches die Wolluſt mehr reize, als
alles andere; ſo ſey es damals geweſen, izt ſey
es anderſt.
So kamen die Bauern in Bonnal, in Abſicht
auf alle Verbrechen, auf die Meynung des Lieute-
nants hinaus; und ſagten auch uͤber Mord und
Aufruhr; Bauern, die erzogen werden, daß ſie ihre
Aecker und Matten, Gaͤrten und Buͤndten wohl
beſorgen, einander freundlich gruͤßen, im taͤglichen
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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787, S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787/214>, abgerufen am 18.12.2024.
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