sie als Buben unter einander Händel gehabt, so sey das immer sein Wort gewesen, "thut mir doch nichts, ich will euch auch nichts thun;" und es sey unter ihnen zum Sprüchwort worden, gält, du hasts auch wie der Christopheli, "thu mir nichts, ich will dir auch nichts thun."
Als seine Schwester, die Meyerin, es vernom- men, gieng sie auf der Stelle zu ihm, traf ihn allein an, und wünschte ihm Glück, daß er sich von der zweyten Marterfrau, mit der er sich ohne Noth verheurathet, so glücklich habe scheiden lassen können. Aber als die Nachricht in das Dorf kam, der Baumwollen-Meyer sey Vogt, waren zehen Stimmen gegen eine, er sey der einzige, der für den Junker, so wie er einen brauche, recht sey; und viele Leute sagten, die Armen haben izt einen Vater, die Unordentlichen einen Vogt, und die so Gewalt brauchen wollen, einen Meister. --
Ihr Herren! die ihr Untervögte macht und absezt wie nichts, mit einem einzigen Wort; wenn euch etwas daran gelegen, daß sie recht ausfallen, so nehmet dieses zum Zeichen, wenn das Volk von euerm Mann also redt, so kann er recht ausfallen; aber auch dann ists noch nöthig, daß ihr zu ihm Sorge traget. Die Reichen waren freylich nicht zufrieden, daß von einem solchen Lumpenstammen ein Vogt geworden; aber sie sagten es doch nicht
ſie als Buben unter einander Haͤndel gehabt, ſo ſey das immer ſein Wort geweſen, „thut mir doch nichts, ich will euch auch nichts thun;“ und es ſey unter ihnen zum Spruͤchwort worden, gaͤlt, du haſts auch wie der Chriſtopheli, „thu mir nichts, ich will dir auch nichts thun.“
Als ſeine Schweſter, die Meyerin, es vernom- men, gieng ſie auf der Stelle zu ihm, traf ihn allein an, und wuͤnſchte ihm Gluͤck, daß er ſich von der zweyten Marterfrau, mit der er ſich ohne Noth verheurathet, ſo gluͤcklich habe ſcheiden laſſen koͤnnen. Aber als die Nachricht in das Dorf kam, der Baumwollen-Meyer ſey Vogt, waren zehen Stimmen gegen eine, er ſey der einzige, der fuͤr den Junker, ſo wie er einen brauche, recht ſey; und viele Leute ſagten, die Armen haben izt einen Vater, die Unordentlichen einen Vogt, und die ſo Gewalt brauchen wollen, einen Meiſter. —
Ihr Herren! die ihr Untervoͤgte macht und abſezt wie nichts, mit einem einzigen Wort; wenn euch etwas daran gelegen, daß ſie recht ausfallen, ſo nehmet dieſes zum Zeichen, wenn das Volk von euerm Mann alſo redt, ſo kann er recht ausfallen; aber auch dann iſts noch noͤthig, daß ihr zu ihm Sorge traget. Die Reichen waren freylich nicht zufrieden, daß von einem ſolchen Lumpenſtammen ein Vogt geworden; aber ſie ſagten es doch nicht
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ſie als Buben unter einander Haͤndel gehabt, ſo
ſey das immer ſein Wort geweſen, „thut mir doch
nichts, ich will euch auch nichts thun;“ und es
ſey unter ihnen zum Spruͤchwort worden, gaͤlt, du
haſts auch wie der Chriſtopheli, „thu mir nichts,
ich will dir auch nichts thun.“
Als ſeine Schweſter, die Meyerin, es vernom-
men, gieng ſie auf der Stelle zu ihm, traf ihn
allein an, und wuͤnſchte ihm Gluͤck, daß er ſich
von der zweyten Marterfrau, mit der er ſich ohne
Noth verheurathet, ſo gluͤcklich habe ſcheiden laſſen
koͤnnen. Aber als die Nachricht in das Dorf kam,
der Baumwollen-Meyer ſey Vogt, waren zehen
Stimmen gegen eine, er ſey der einzige, der fuͤr
den Junker, ſo wie er einen brauche, recht ſey;
und viele Leute ſagten, die Armen haben izt einen
Vater, die Unordentlichen einen Vogt, und die ſo
Gewalt brauchen wollen, einen Meiſter. —
Ihr Herren! die ihr Untervoͤgte macht und
abſezt wie nichts, mit einem einzigen Wort; wenn
euch etwas daran gelegen, daß ſie recht ausfallen,
ſo nehmet dieſes zum Zeichen, wenn das Volk von
euerm Mann alſo redt, ſo kann er recht ausfallen;
aber auch dann iſts noch noͤthig, daß ihr zu ihm
Sorge traget. Die Reichen waren freylich nicht
zufrieden, daß von einem ſolchen Lumpenſtammen
ein Vogt geworden; aber ſie ſagten es doch nicht
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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787, S. 222. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787/240>, abgerufen am 21.11.2024.
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