Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787.

Bild:
<< vorherige Seite


allerhand Gutes von ihnen, aber ließ doch nach
und nach eins nach dem andern merken, wie er ei-
nem jeden in der Schule anspühre, wie sie bey
Haus mit ihnen umgehen, und als er sie so traulich
hatte, und ernsthaft wie er wollte, trank er noch
auf ihre Gesundheit und die Gesundheit ihrer Kin-
der, und sagte dann -- wenn er einmal izt nicht
glaubte, es möchte ihnen Mühe machen, so würde
er ihnen gern noch etwas sagen; sie erwiederten
ihm, er solle doch sagen, was er wolle, sie sehen,
wie er es meyne, und sagen ja auch, was sie wol-
len; er fragte noch einmal, ob sie es gewiß nicht
zörnen wollen? -- Und sagte dann --

"Es ist mir immer, wie wenn vielen von Euch
nicht ganz recht Ernst seyn könnte, weder mit der
Freude wegen dem Junker, noch mit dem Dank
gegen mich." Die Leute begriffen nicht, was er
meynte, staunten, sahen einander an; endlich frag-
ten ihn etliche, warum er doch auch das sage? Er
antwortete ihnen, "Ihr müßt mir verzeihen, aber
ich will es euch den geraden Weg sagen; es sind
gar zu viel Leute unter euch, die in diesem oder je-
nem Stück noch immer gern in der Unordnung leb-
ten, und diese alle können im Grund ihres Herzens
keine wahre Freude, und keinen wahren Dank ge-
gen jemand haben, der sie und ihre Kinder aus
aller Unordnung herauszutreiben, und alle Unge-
schicklichkeit, Unanstelligkeit und Verwirrung, die


allerhand Gutes von ihnen, aber ließ doch nach
und nach eins nach dem andern merken, wie er ei-
nem jeden in der Schule anſpuͤhre, wie ſie bey
Haus mit ihnen umgehen, und als er ſie ſo traulich
hatte, und ernſthaft wie er wollte, trank er noch
auf ihre Geſundheit und die Geſundheit ihrer Kin-
der, und ſagte dann — wenn er einmal izt nicht
glaubte, es moͤchte ihnen Muͤhe machen, ſo wuͤrde
er ihnen gern noch etwas ſagen; ſie erwiederten
ihm, er ſolle doch ſagen, was er wolle, ſie ſehen,
wie er es meyne, und ſagen ja auch, was ſie wol-
len; er fragte noch einmal, ob ſie es gewiß nicht
zoͤrnen wollen? — Und ſagte dann —

„Es iſt mir immer, wie wenn vielen von Euch
nicht ganz recht Ernſt ſeyn koͤnnte, weder mit der
Freude wegen dem Junker, noch mit dem Dank
gegen mich.“ Die Leute begriffen nicht, was er
meynte, ſtaunten, ſahen einander an; endlich frag-
ten ihn etliche, warum er doch auch das ſage? Er
antwortete ihnen, „Ihr muͤßt mir verzeihen, aber
ich will es euch den geraden Weg ſagen; es ſind
gar zu viel Leute unter euch, die in dieſem oder je-
nem Stuͤck noch immer gern in der Unordnung leb-
ten, und dieſe alle koͤnnen im Grund ihres Herzens
keine wahre Freude, und keinen wahren Dank ge-
gen jemand haben, der ſie und ihre Kinder aus
aller Unordnung herauszutreiben, und alle Unge-
ſchicklichkeit, Unanſtelligkeit und Verwirrung, die

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0251" n="233"/><lb/>
allerhand Gutes von ihnen, aber ließ doch nach<lb/>
und nach eins nach dem andern merken, wie er ei-<lb/>
nem jeden in der Schule an&#x017F;pu&#x0364;hre, wie &#x017F;ie bey<lb/>
Haus mit ihnen umgehen, und als er &#x017F;ie &#x017F;o traulich<lb/>
hatte, und ern&#x017F;thaft wie er wollte, trank er noch<lb/>
auf ihre Ge&#x017F;undheit und die Ge&#x017F;undheit ihrer Kin-<lb/>
der, und &#x017F;agte dann &#x2014; wenn er einmal izt nicht<lb/>
glaubte, es mo&#x0364;chte ihnen Mu&#x0364;he machen, &#x017F;o wu&#x0364;rde<lb/>
er ihnen gern noch etwas &#x017F;agen; &#x017F;ie erwiederten<lb/>
ihm, er &#x017F;olle doch &#x017F;agen, was er wolle, &#x017F;ie &#x017F;ehen,<lb/>
wie er es meyne, und &#x017F;agen ja auch, was &#x017F;ie wol-<lb/>
len; er fragte noch einmal, ob &#x017F;ie es gewiß nicht<lb/>
zo&#x0364;rnen wollen? &#x2014; Und &#x017F;agte dann &#x2014;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Es i&#x017F;t mir immer, wie wenn vielen von Euch<lb/>
nicht ganz recht Ern&#x017F;t &#x017F;eyn ko&#x0364;nnte, weder mit der<lb/>
Freude wegen dem Junker, noch mit dem Dank<lb/>
gegen mich.&#x201C; Die Leute begriffen nicht, was er<lb/>
meynte, &#x017F;taunten, &#x017F;ahen einander an; endlich frag-<lb/>
ten ihn etliche, warum er doch auch das &#x017F;age? Er<lb/>
antwortete ihnen, &#x201E;Ihr mu&#x0364;ßt mir verzeihen, aber<lb/>
ich will es euch den geraden Weg &#x017F;agen; es &#x017F;ind<lb/>
gar zu viel Leute unter euch, die in die&#x017F;em oder je-<lb/>
nem Stu&#x0364;ck noch immer gern in der Unordnung leb-<lb/>
ten, und die&#x017F;e alle ko&#x0364;nnen im Grund ihres Herzens<lb/>
keine wahre Freude, und keinen wahren Dank ge-<lb/>
gen jemand haben, der &#x017F;ie und ihre Kinder aus<lb/>
aller Unordnung herauszutreiben, und alle Unge-<lb/>
&#x017F;chicklichkeit, Unan&#x017F;telligkeit und Verwirrung, die<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[233/0251] allerhand Gutes von ihnen, aber ließ doch nach und nach eins nach dem andern merken, wie er ei- nem jeden in der Schule anſpuͤhre, wie ſie bey Haus mit ihnen umgehen, und als er ſie ſo traulich hatte, und ernſthaft wie er wollte, trank er noch auf ihre Geſundheit und die Geſundheit ihrer Kin- der, und ſagte dann — wenn er einmal izt nicht glaubte, es moͤchte ihnen Muͤhe machen, ſo wuͤrde er ihnen gern noch etwas ſagen; ſie erwiederten ihm, er ſolle doch ſagen, was er wolle, ſie ſehen, wie er es meyne, und ſagen ja auch, was ſie wol- len; er fragte noch einmal, ob ſie es gewiß nicht zoͤrnen wollen? — Und ſagte dann — „Es iſt mir immer, wie wenn vielen von Euch nicht ganz recht Ernſt ſeyn koͤnnte, weder mit der Freude wegen dem Junker, noch mit dem Dank gegen mich.“ Die Leute begriffen nicht, was er meynte, ſtaunten, ſahen einander an; endlich frag- ten ihn etliche, warum er doch auch das ſage? Er antwortete ihnen, „Ihr muͤßt mir verzeihen, aber ich will es euch den geraden Weg ſagen; es ſind gar zu viel Leute unter euch, die in dieſem oder je- nem Stuͤck noch immer gern in der Unordnung leb- ten, und dieſe alle koͤnnen im Grund ihres Herzens keine wahre Freude, und keinen wahren Dank ge- gen jemand haben, der ſie und ihre Kinder aus aller Unordnung herauszutreiben, und alle Unge- ſchicklichkeit, Unanſtelligkeit und Verwirrung, die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787/251
Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787, S. 233. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787/251>, abgerufen am 24.11.2024.