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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787.

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im Dorf ist, aufzudecken, und an den Tag zu brin-
gen sucht."

Diese Erklärung machte sie betroffen, sie fien-
gen ihn an zu verstehen, und er fuhr fort --

"Weil ich nun einmal angefangen, will ich mich
nun völlig erklären; es ist gewiß, daß zum Exempel
eine Frau, die sich von Jugend auf der Unordnung
und der Unachtsamkeit gewohnt ist, ihre Kinder
nicht besorgt, vieles in der Haushaltung zu Grund
gehen, und wie Mist durch einander und in einan-
der liegen läßt; und wiederum, daß ein Mann,
der in seinen Sachen es eben so hat, keine Freud
und Dank gegen jemand in seinem Herzen haben
könne, welcher ihn in die Ordnung bringen will.
Es ist gar zu vieles zu tief in seinem Innersten ein-
gewurzelt, das er schwer hat abzulegen; und ich
glaube fast, ein solcher Mann und eine solche Frau
würden leichter dahin zu bringen seyn, mit dem
Jaunervolk in die Häuser einzubrechen, und mit
den Zigeunern und Bettlern im Wald bey gestohle-
nen und gebettelten Braten und Kuchen um ein Hei-
denfeuer herum zu tanzen, als aufrichtige Freude
daran zu haben, wenn man sie wollte in eine Ord-
nung bringen wie recht ist, daß sie nichts Unor-
dentliches mehr verbergen und bemänteln können."

Aber die Männer und Weiber meynten doch
nicht, daß sie Leute seyen, welche man mit Hei-

im Dorf iſt, aufzudecken, und an den Tag zu brin-
gen ſucht.“

Dieſe Erklaͤrung machte ſie betroffen, ſie fien-
gen ihn an zu verſtehen, und er fuhr fort —

„Weil ich nun einmal angefangen, will ich mich
nun voͤllig erklaͤren; es iſt gewiß, daß zum Exempel
eine Frau, die ſich von Jugend auf der Unordnung
und der Unachtſamkeit gewohnt iſt, ihre Kinder
nicht beſorgt, vieles in der Haushaltung zu Grund
gehen, und wie Miſt durch einander und in einan-
der liegen laͤßt; und wiederum, daß ein Mann,
der in ſeinen Sachen es eben ſo hat, keine Freud
und Dank gegen jemand in ſeinem Herzen haben
koͤnne, welcher ihn in die Ordnung bringen will.
Es iſt gar zu vieles zu tief in ſeinem Innerſten ein-
gewurzelt, das er ſchwer hat abzulegen; und ich
glaube faſt, ein ſolcher Mann und eine ſolche Frau
wuͤrden leichter dahin zu bringen ſeyn, mit dem
Jaunervolk in die Haͤuſer einzubrechen, und mit
den Zigeunern und Bettlern im Wald bey geſtohle-
nen und gebettelten Braten und Kuchen um ein Hei-
denfeuer herum zu tanzen, als aufrichtige Freude
daran zu haben, wenn man ſie wollte in eine Ord-
nung bringen wie recht iſt, daß ſie nichts Unor-
dentliches mehr verbergen und bemaͤnteln koͤnnen.“

Aber die Maͤnner und Weiber meynten doch
nicht, daß ſie Leute ſeyen, welche man mit Hei-

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[234/0252] im Dorf iſt, aufzudecken, und an den Tag zu brin- gen ſucht.“ Dieſe Erklaͤrung machte ſie betroffen, ſie fien- gen ihn an zu verſtehen, und er fuhr fort — „Weil ich nun einmal angefangen, will ich mich nun voͤllig erklaͤren; es iſt gewiß, daß zum Exempel eine Frau, die ſich von Jugend auf der Unordnung und der Unachtſamkeit gewohnt iſt, ihre Kinder nicht beſorgt, vieles in der Haushaltung zu Grund gehen, und wie Miſt durch einander und in einan- der liegen laͤßt; und wiederum, daß ein Mann, der in ſeinen Sachen es eben ſo hat, keine Freud und Dank gegen jemand in ſeinem Herzen haben koͤnne, welcher ihn in die Ordnung bringen will. Es iſt gar zu vieles zu tief in ſeinem Innerſten ein- gewurzelt, das er ſchwer hat abzulegen; und ich glaube faſt, ein ſolcher Mann und eine ſolche Frau wuͤrden leichter dahin zu bringen ſeyn, mit dem Jaunervolk in die Haͤuſer einzubrechen, und mit den Zigeunern und Bettlern im Wald bey geſtohle- nen und gebettelten Braten und Kuchen um ein Hei- denfeuer herum zu tanzen, als aufrichtige Freude daran zu haben, wenn man ſie wollte in eine Ord- nung bringen wie recht iſt, daß ſie nichts Unor- dentliches mehr verbergen und bemaͤnteln koͤnnen.“ Aber die Maͤnner und Weiber meynten doch nicht, daß ſie Leute ſeyen, welche man mit Hei-

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Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787, S. 234. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787/252>, abgerufen am 21.11.2024.