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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787.

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Menschen in seinem Alter lebendig todt zu machen.
Aber es ist so der Menschen Art, sie wollen noch
lieber vom Teufel schlecht seyn, als von sich selber;
und lassen sich gar oft leichter dahin bringen, aus
dummer Furcht vor dem Beelzebub in die Gichter zu
fallen, als auf sich selber Acht zu geben.

Das war sein Fall: Er brüllte in seiner Teu-
felsangst gar oft wie ein Vieh, insonderheit zu
Nacht, so daß ihm auch Niemand abwarten wollte,
und der Rudi ein armes Bettelweib, das ihm ver-
wandt war, mit dem grösten Versprechen kaum
dazu bewegen konnte; er meynte nichts anders, als
der Teufel werde ihn holen wie den Doktor Faust,
der das Pulver erfand; und konnte sich vorstellen,
er warte vor seiner Thür auf den Glockenschlag,
wann es mit ihm aus sey, wie etwa Wächter und
Harschier einer Schelmenbande aufpassen, wenn
die Stunde verrathen ist, in der sie an einen Ort
hinkommen.

Diese Narrenschrecken seiner unsinnigen Teu-
felsfurcht hinderten die zerrütteten Kräfte seines
Kopfs und Herzens noch mehr, daß nichts Gutes
und nichts Menschliches darinn Platz fand, und
alles Bemühen des guten Pfarrers, seine Sinne
wieder zu stärken, umsonst war.

Das war sein Lebensende. -- So dorret ein
Baum ab, der auf einer Brandstätte bis auf das

Q

Menſchen in ſeinem Alter lebendig todt zu machen.
Aber es iſt ſo der Menſchen Art, ſie wollen noch
lieber vom Teufel ſchlecht ſeyn, als von ſich ſelber;
und laſſen ſich gar oft leichter dahin bringen, aus
dummer Furcht vor dem Beelzebub in die Gichter zu
fallen, als auf ſich ſelber Acht zu geben.

Das war ſein Fall: Er bruͤllte in ſeiner Teu-
felsangſt gar oft wie ein Vieh, inſonderheit zu
Nacht, ſo daß ihm auch Niemand abwarten wollte,
und der Rudi ein armes Bettelweib, das ihm ver-
wandt war, mit dem groͤſten Verſprechen kaum
dazu bewegen konnte; er meynte nichts anders, als
der Teufel werde ihn holen wie den Doktor Fauſt,
der das Pulver erfand; und konnte ſich vorſtellen,
er warte vor ſeiner Thuͤr auf den Glockenſchlag,
wann es mit ihm aus ſey, wie etwa Waͤchter und
Harſchier einer Schelmenbande aufpaſſen, wenn
die Stunde verrathen iſt, in der ſie an einen Ort
hinkommen.

Dieſe Narrenſchrecken ſeiner unſinnigen Teu-
felsfurcht hinderten die zerruͤtteten Kraͤfte ſeines
Kopfs und Herzens noch mehr, daß nichts Gutes
und nichts Menſchliches darinn Platz fand, und
alles Bemuͤhen des guten Pfarrers, ſeine Sinne
wieder zu ſtaͤrken, umſonſt war.

Das war ſein Lebensende. — So dorret ein
Baum ab, der auf einer Brandſtaͤtte bis auf das

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[241/0259] Menſchen in ſeinem Alter lebendig todt zu machen. Aber es iſt ſo der Menſchen Art, ſie wollen noch lieber vom Teufel ſchlecht ſeyn, als von ſich ſelber; und laſſen ſich gar oft leichter dahin bringen, aus dummer Furcht vor dem Beelzebub in die Gichter zu fallen, als auf ſich ſelber Acht zu geben. Das war ſein Fall: Er bruͤllte in ſeiner Teu- felsangſt gar oft wie ein Vieh, inſonderheit zu Nacht, ſo daß ihm auch Niemand abwarten wollte, und der Rudi ein armes Bettelweib, das ihm ver- wandt war, mit dem groͤſten Verſprechen kaum dazu bewegen konnte; er meynte nichts anders, als der Teufel werde ihn holen wie den Doktor Fauſt, der das Pulver erfand; und konnte ſich vorſtellen, er warte vor ſeiner Thuͤr auf den Glockenſchlag, wann es mit ihm aus ſey, wie etwa Waͤchter und Harſchier einer Schelmenbande aufpaſſen, wenn die Stunde verrathen iſt, in der ſie an einen Ort hinkommen. Dieſe Narrenſchrecken ſeiner unſinnigen Teu- felsfurcht hinderten die zerruͤtteten Kraͤfte ſeines Kopfs und Herzens noch mehr, daß nichts Gutes und nichts Menſchliches darinn Platz fand, und alles Bemuͤhen des guten Pfarrers, ſeine Sinne wieder zu ſtaͤrken, umſonſt war. Das war ſein Lebensende. — So dorret ein Baum ab, der auf einer Brandſtaͤtte bis auf das Q

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Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787, S. 241. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787/259>, abgerufen am 21.11.2024.