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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787.

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bracht, daß weder Feyerlichkeit, noch Religion,
diesfalls mehr einen reinen, beruhigenden Eindruck
auf sie haben kann, feyerlich und ernsthaft zu wer-
den beginnt. -- Er glaubte, man könne nicht zu
viel thun, streitende Bauern lange genug von dem
Schwertstreich der gesezlichen Rechtsgerechtigkeit
entfernt zu halten, um sie durch die für die Bauern
sicher bessere Wege ihres auf den gegenwärtigen
Streitfall hingelenkten eigenen Billigkeitsgefühl aus
einander zu bringen.

Aber bey dem allem war es nichts weniger,
als daß er dadurch den schwachen, gutmüthigen
Beklagten den Klauen des anmaßlichen und frechen
Klägers Preis gab.

Die Steifigkeit, und der langsame, schwer-
fällige Gang seiner Freundlichkeits-Manier, ist dem
gierigen, frechen, unordentlichen, gewaltsamen
und ungeduldigen Tröler gar nicht Heu für seinen
Esel. Wenn man dem Tröler das Schwert der
harten Gerechtigkeit aus den Händen windet, so
verliehrt er seine Kraft darob wie Samson ob der
Freundlichkeit der Jungfrau, die ihn geschoren.

Das war eins. -- Zweytens wurde ein jeder
der zweymal als Angreifer gegen jemand vor dem
Rechten im Ungrund erfunden worden, in seinen
Rechten auf 5 Jahr dahin still gestellt, daß er so

bracht, daß weder Feyerlichkeit, noch Religion,
diesfalls mehr einen reinen, beruhigenden Eindruck
auf ſie haben kann, feyerlich und ernſthaft zu wer-
den beginnt. — Er glaubte, man koͤnne nicht zu
viel thun, ſtreitende Bauern lange genug von dem
Schwertſtreich der geſezlichen Rechtsgerechtigkeit
entfernt zu halten, um ſie durch die fuͤr die Bauern
ſicher beſſere Wege ihres auf den gegenwaͤrtigen
Streitfall hingelenkten eigenen Billigkeitsgefuͤhl aus
einander zu bringen.

Aber bey dem allem war es nichts weniger,
als daß er dadurch den ſchwachen, gutmuͤthigen
Beklagten den Klauen des anmaßlichen und frechen
Klaͤgers Preis gab.

Die Steifigkeit, und der langſame, ſchwer-
faͤllige Gang ſeiner Freundlichkeits-Manier, iſt dem
gierigen, frechen, unordentlichen, gewaltſamen
und ungeduldigen Troͤler gar nicht Heu fuͤr ſeinen
Eſel. Wenn man dem Troͤler das Schwert der
harten Gerechtigkeit aus den Haͤnden windet, ſo
verliehrt er ſeine Kraft darob wie Samſon ob der
Freundlichkeit der Jungfrau, die ihn geſchoren.

Das war eins. — Zweytens wurde ein jeder
der zweymal als Angreifer gegen jemand vor dem
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[290/0308] bracht, daß weder Feyerlichkeit, noch Religion, diesfalls mehr einen reinen, beruhigenden Eindruck auf ſie haben kann, feyerlich und ernſthaft zu wer- den beginnt. — Er glaubte, man koͤnne nicht zu viel thun, ſtreitende Bauern lange genug von dem Schwertſtreich der geſezlichen Rechtsgerechtigkeit entfernt zu halten, um ſie durch die fuͤr die Bauern ſicher beſſere Wege ihres auf den gegenwaͤrtigen Streitfall hingelenkten eigenen Billigkeitsgefuͤhl aus einander zu bringen. Aber bey dem allem war es nichts weniger, als daß er dadurch den ſchwachen, gutmuͤthigen Beklagten den Klauen des anmaßlichen und frechen Klaͤgers Preis gab. Die Steifigkeit, und der langſame, ſchwer- faͤllige Gang ſeiner Freundlichkeits-Manier, iſt dem gierigen, frechen, unordentlichen, gewaltſamen und ungeduldigen Troͤler gar nicht Heu fuͤr ſeinen Eſel. Wenn man dem Troͤler das Schwert der harten Gerechtigkeit aus den Haͤnden windet, ſo verliehrt er ſeine Kraft darob wie Samſon ob der Freundlichkeit der Jungfrau, die ihn geſchoren. Das war eins. — Zweytens wurde ein jeder der zweymal als Angreifer gegen jemand vor dem Rechten im Ungrund erfunden worden, in ſeinen Rechten auf 5 Jahr dahin ſtill geſtellt, daß er ſo

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Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787, S. 290. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787/308>, abgerufen am 21.11.2024.