Bauersfrau den Detail ihres Hauses besorgen muß, wenn sie nicht Schande davon haben will.
Es ist eine Schande, man läßt alles Unkraut wachsen, bis es erstarket; dann wühlet man mit der öffentlichen Gerechtigkeit unter dem verheerten Volk wie die wilde Säu im Korn, und meynt noch, mit dieser Schnörren-Arbeit die höchste Weis- heit der bürgerlichen Gesezgebung erreicht zu ha- ben. Man läßt es an allem, was zur Erzielung einer wahren bürgerlichen Ordnung in der Tiefe des Volks nothwendig wäre, ermangeln, und wundert sich dann, warum man mit keinen Galeen und Zuchthäusern so wenig als mit dem alten Gal- gen dahin komme, wohin, so lang die Welt steht, keine Obrigkeit ohne gute und allgemeine Einrich- tungen für die Bildung des Volks niemals gekom- men ist, und niemals kommen wird. *)
*)Anmerkung. -- Wer verzeiht es dem Menschen nicht, wenn er im Gefühl der Ver- wahrlosung seines Geschlechts die Sprache der Verzweiflung redt? -- sagte ich, da die Sti- ckelbergerin und der Pfarrer diese Sprache re- deten, als sie für das Leben Arners keine Hof- nung mehr hatten; und izt -- muß ich dich fragen, Leser! willt du mir es nicht verzeihen, wenn ich die öffentliche Gerechtigkeit, die es an allem, was zur Erzielung einer wahren bürgerlichen Bildung in der Tiefe des Volks
Bauersfrau den Detail ihres Hauſes beſorgen muß, wenn ſie nicht Schande davon haben will.
Es iſt eine Schande, man laͤßt alles Unkraut wachſen, bis es erſtarket; dann wuͤhlet man mit der oͤffentlichen Gerechtigkeit unter dem verheerten Volk wie die wilde Saͤu im Korn, und meynt noch, mit dieſer Schnoͤrren-Arbeit die hoͤchſte Weis- heit der buͤrgerlichen Geſezgebung erreicht zu ha- ben. Man laͤßt es an allem, was zur Erzielung einer wahren buͤrgerlichen Ordnung in der Tiefe des Volks nothwendig waͤre, ermangeln, und wundert ſich dann, warum man mit keinen Galeen und Zuchthaͤuſern ſo wenig als mit dem alten Gal- gen dahin komme, wohin, ſo lang die Welt ſteht, keine Obrigkeit ohne gute und allgemeine Einrich- tungen fuͤr die Bildung des Volks niemals gekom- men iſt, und niemals kommen wird. *)
*)Anmerkung. — Wer verzeiht es dem Menſchen nicht, wenn er im Gefuͤhl der Ver- wahrloſung ſeines Geſchlechts die Sprache der Verzweiflung redt? — ſagte ich, da die Sti- ckelbergerin und der Pfarrer dieſe Sprache re- deten, als ſie fuͤr das Leben Arners keine Hof- nung mehr hatten; und izt — muß ich dich fragen, Leſer! willt du mir es nicht verzeihen, wenn ich die oͤffentliche Gerechtigkeit, die es an allem, was zur Erzielung einer wahren buͤrgerlichen Bildung in der Tiefe des Volks
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Bauersfrau den Detail ihres Hauſes beſorgen
muß, wenn ſie nicht Schande davon haben will.
Es iſt eine Schande, man laͤßt alles Unkraut
wachſen, bis es erſtarket; dann wuͤhlet man mit
der oͤffentlichen Gerechtigkeit unter dem verheerten
Volk wie die wilde Saͤu im Korn, und meynt
noch, mit dieſer Schnoͤrren-Arbeit die hoͤchſte Weis-
heit der buͤrgerlichen Geſezgebung erreicht zu ha-
ben. Man laͤßt es an allem, was zur Erzielung
einer wahren buͤrgerlichen Ordnung in der Tiefe
des Volks nothwendig waͤre, ermangeln, und
wundert ſich dann, warum man mit keinen Galeen
und Zuchthaͤuſern ſo wenig als mit dem alten Gal-
gen dahin komme, wohin, ſo lang die Welt ſteht,
keine Obrigkeit ohne gute und allgemeine Einrich-
tungen fuͤr die Bildung des Volks niemals gekom-
men iſt, und niemals kommen wird. *)
*) Anmerkung. — Wer verzeiht es dem
Menſchen nicht, wenn er im Gefuͤhl der Ver-
wahrloſung ſeines Geſchlechts die Sprache der
Verzweiflung redt? — ſagte ich, da die Sti-
ckelbergerin und der Pfarrer dieſe Sprache re-
deten, als ſie fuͤr das Leben Arners keine Hof-
nung mehr hatten; und izt — muß ich dich
fragen, Leſer! willt du mir es nicht verzeihen,
wenn ich die oͤffentliche Gerechtigkeit, die es
an allem, was zur Erzielung einer wahren
buͤrgerlichen Bildung in der Tiefe des Volks
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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787, S. 306. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787/324>, abgerufen am 26.06.2024.
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