Ein jedes legte von Jugend auf sich selber mit seiner eigenen Handarbeit den Grundstein zu einem ehrenhaften, unabhangenden Leben; sie sahen mit jedem Jahr den kleinen Pfenning, mit dem sie ih- ren Sparhafen anfiengen, größer werden, und das Geld, das ihnen vom siebenden Jahr an manche saure Stunde, und manche rastlose Nacht gekostet, war ihnen im zwanzigsten Jahr so wenig, als ihre Ehre so leicht für eine Gaukelnacht feil; ihre ge- bildete Bedächtlichkeit machte sie auch hierinn rech- nen, und lächeln, wenn jemand viel für wenig von ihnen wollte. --
Arner hielt ihnen in diesem Alter den Kopf über diesen Punkt immer offen. Jünglinge und Töchter des Dorfs kamen alle Vierteljahr zusam- men, und das einzige Gesez dieses Ehr- und Freu- dentags war dieses, keinen Schandbuben und keine Schandtochter unter sich zu leiden. Sie machten das so: sie hatten ein Spiel, und jagten sie fort; sie verbanden einander die Augen, standen in einen Kreis, dann rief eins mit verstellter Stimme -- Schandleute -- Schandleute -- sind Schandleute da? Auf den Ruf antworteten die beyden Kreise, ein jeder besonder, entweder, es sind keine da -- oder es sind da. -- Wenn alle sagten, es sind keine da, so nahmen die Verbundenen die Binde vom Auge, und der Reihentanz gieng an: wenn sie aber riefen, es sind da -- so sagte der Meister
Ein jedes legte von Jugend auf ſich ſelber mit ſeiner eigenen Handarbeit den Grundſtein zu einem ehrenhaften, unabhangenden Leben; ſie ſahen mit jedem Jahr den kleinen Pfenning, mit dem ſie ih- ren Sparhafen anfiengen, groͤßer werden, und das Geld, das ihnen vom ſiebenden Jahr an manche ſaure Stunde, und manche raſtloſe Nacht gekoſtet, war ihnen im zwanzigſten Jahr ſo wenig, als ihre Ehre ſo leicht fuͤr eine Gaukelnacht feil; ihre ge- bildete Bedaͤchtlichkeit machte ſie auch hierinn rech- nen, und laͤcheln, wenn jemand viel fuͤr wenig von ihnen wollte. —
Arner hielt ihnen in dieſem Alter den Kopf uͤber dieſen Punkt immer offen. Juͤnglinge und Toͤchter des Dorfs kamen alle Vierteljahr zuſam- men, und das einzige Geſez dieſes Ehr- und Freu- dentags war dieſes, keinen Schandbuben und keine Schandtochter unter ſich zu leiden. Sie machten das ſo: ſie hatten ein Spiel, und jagten ſie fort; ſie verbanden einander die Augen, ſtanden in einen Kreis, dann rief eins mit verſtellter Stimme — Schandleute — Schandleute — ſind Schandleute da? Auf den Ruf antworteten die beyden Kreiſe, ein jeder beſonder, entweder, es ſind keine da — oder es ſind da. — Wenn alle ſagten, es ſind keine da, ſo nahmen die Verbundenen die Binde vom Auge, und der Reihentanz gieng an: wenn ſie aber riefen, es ſind da — ſo ſagte der Meiſter
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Ein jedes legte von Jugend auf ſich ſelber mit
ſeiner eigenen Handarbeit den Grundſtein zu einem
ehrenhaften, unabhangenden Leben; ſie ſahen mit
jedem Jahr den kleinen Pfenning, mit dem ſie ih-
ren Sparhafen anfiengen, groͤßer werden, und das
Geld, das ihnen vom ſiebenden Jahr an manche
ſaure Stunde, und manche raſtloſe Nacht gekoſtet,
war ihnen im zwanzigſten Jahr ſo wenig, als ihre
Ehre ſo leicht fuͤr eine Gaukelnacht feil; ihre ge-
bildete Bedaͤchtlichkeit machte ſie auch hierinn rech-
nen, und laͤcheln, wenn jemand viel fuͤr wenig
von ihnen wollte. —
Arner hielt ihnen in dieſem Alter den Kopf
uͤber dieſen Punkt immer offen. Juͤnglinge und
Toͤchter des Dorfs kamen alle Vierteljahr zuſam-
men, und das einzige Geſez dieſes Ehr- und Freu-
dentags war dieſes, keinen Schandbuben und keine
Schandtochter unter ſich zu leiden. Sie machten
das ſo: ſie hatten ein Spiel, und jagten ſie fort;
ſie verbanden einander die Augen, ſtanden in einen
Kreis, dann rief eins mit verſtellter Stimme —
Schandleute — Schandleute — ſind Schandleute
da? Auf den Ruf antworteten die beyden Kreiſe,
ein jeder beſonder, entweder, es ſind keine da —
oder es ſind da. — Wenn alle ſagten, es ſind
keine da, ſo nahmen die Verbundenen die Binde
vom Auge, und der Reihentanz gieng an: wenn
ſie aber riefen, es ſind da — ſo ſagte der Meiſter
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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787, S. 315. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787/333>, abgerufen am 21.11.2024.
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