Es hatten alle Stände, und alle Alter im Dorf ihren Freudentag. Die Jünglinge und Töch- tern hatten, wie ihr wißt, viere im Jahr. -- Er trug zu diesem Alter besonders Sorge, und glaubte, man könne ihm fast nicht genug Freude machen. Er ließ sie in dieser Zeit auch in der Religion un- terrichten, that sonst was er konnte, die Kräfte ih- res Geists und ihres Leibs in diesem Zeitpunkt in reger Thätigkeit zu erhalten.
Alle andere Stände hatten im Jahr einen solchen Freudentag. Die Kinder mußten von den Aeltern und Schulmeistern Zeugnisse aufweisen, daß sie den Freu- dentag das Jahr über verdienet, sonst wurden sie aus- geschlossen von der Lust des Tages, und durften nicht mit den andern ins Schloß kommen, um mit ihrem ihnen so lieben Junker Vater vom frühen Morgen bis am späten Abend Freude zu haben.
Das einzige Gesez dieses Tags für alle Stände war, ihn vernünftig anzufangen. Sie saßen in ihren Kreisen, unterredeten sich von den Freuden ihres Stands und ihres Alters, wie sie alle, oder doch ihrer viele, mehr dergleichen haben könnten: was ihnen diese Freuden verbittere, und wie sie demselben abhelfen können; und nahmen dann jähr- lich einen guten Vorsaz, in diesem oder jenem Stück für die Freuden ihres Lebens vernünftige Sorge zu tragen.
Es hatten alle Staͤnde, und alle Alter im Dorf ihren Freudentag. Die Juͤnglinge und Toͤch- tern hatten, wie ihr wißt, viere im Jahr. — Er trug zu dieſem Alter beſonders Sorge, und glaubte, man koͤnne ihm faſt nicht genug Freude machen. Er ließ ſie in dieſer Zeit auch in der Religion un- terrichten, that ſonſt was er konnte, die Kraͤfte ih- res Geiſts und ihres Leibs in dieſem Zeitpunkt in reger Thaͤtigkeit zu erhalten.
Alle andere Staͤnde hatten im Jahr einen ſolchen Freudentag. Die Kinder mußten von den Aeltern und Schulmeiſtern Zeugniſſe aufweiſen, daß ſie den Freu- dentag das Jahr uͤber verdienet, ſonſt wurden ſie aus- geſchloſſen von der Luſt des Tages, und durften nicht mit den andern ins Schloß kommen, um mit ihrem ihnen ſo lieben Junker Vater vom fruͤhen Morgen bis am ſpaͤten Abend Freude zu haben.
Das einzige Geſez dieſes Tags fuͤr alle Staͤnde war, ihn vernuͤnftig anzufangen. Sie ſaßen in ihren Kreiſen, unterredeten ſich von den Freuden ihres Stands und ihres Alters, wie ſie alle, oder doch ihrer viele, mehr dergleichen haben koͤnnten: was ihnen dieſe Freuden verbittere, und wie ſie demſelben abhelfen koͤnnen; und nahmen dann jaͤhr- lich einen guten Vorſaz, in dieſem oder jenem Stuͤck fuͤr die Freuden ihres Lebens vernuͤnftige Sorge zu tragen.
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0337"n="319"/><p>Es hatten alle Staͤnde, und alle Alter im<lb/>
Dorf ihren Freudentag. Die Juͤnglinge und Toͤch-<lb/>
tern hatten, wie ihr wißt, viere im Jahr. — Er<lb/>
trug zu dieſem Alter beſonders Sorge, und glaubte,<lb/>
man koͤnne ihm faſt nicht genug Freude machen.<lb/>
Er ließ ſie in dieſer Zeit auch in der Religion un-<lb/>
terrichten, that ſonſt was er konnte, die Kraͤfte ih-<lb/>
res Geiſts und ihres Leibs in dieſem Zeitpunkt in<lb/>
reger Thaͤtigkeit zu erhalten.</p><lb/><p>Alle andere Staͤnde hatten im Jahr einen ſolchen<lb/>
Freudentag. Die Kinder mußten von den Aeltern und<lb/>
Schulmeiſtern Zeugniſſe aufweiſen, daß ſie den Freu-<lb/>
dentag das Jahr uͤber verdienet, ſonſt wurden ſie aus-<lb/>
geſchloſſen von der Luſt des Tages, und durften<lb/>
nicht mit den andern ins Schloß kommen, um mit<lb/>
ihrem ihnen ſo lieben Junker Vater vom fruͤhen<lb/>
Morgen bis am ſpaͤten Abend Freude zu haben.</p><lb/><p>Das einzige Geſez dieſes Tags fuͤr alle Staͤnde<lb/>
war, ihn vernuͤnftig anzufangen. Sie ſaßen in<lb/>
ihren Kreiſen, unterredeten ſich von den Freuden<lb/>
ihres Stands und ihres Alters, wie ſie alle, oder<lb/>
doch ihrer viele, mehr dergleichen haben koͤnnten:<lb/>
was ihnen dieſe Freuden verbittere, und wie ſie<lb/>
demſelben abhelfen koͤnnen; und nahmen dann jaͤhr-<lb/>
lich einen guten Vorſaz, in dieſem oder jenem<lb/>
Stuͤck fuͤr die Freuden ihres Lebens vernuͤnftige<lb/>
Sorge zu tragen.</p><lb/></div></body></text></TEI>
[319/0337]
Es hatten alle Staͤnde, und alle Alter im
Dorf ihren Freudentag. Die Juͤnglinge und Toͤch-
tern hatten, wie ihr wißt, viere im Jahr. — Er
trug zu dieſem Alter beſonders Sorge, und glaubte,
man koͤnne ihm faſt nicht genug Freude machen.
Er ließ ſie in dieſer Zeit auch in der Religion un-
terrichten, that ſonſt was er konnte, die Kraͤfte ih-
res Geiſts und ihres Leibs in dieſem Zeitpunkt in
reger Thaͤtigkeit zu erhalten.
Alle andere Staͤnde hatten im Jahr einen ſolchen
Freudentag. Die Kinder mußten von den Aeltern und
Schulmeiſtern Zeugniſſe aufweiſen, daß ſie den Freu-
dentag das Jahr uͤber verdienet, ſonſt wurden ſie aus-
geſchloſſen von der Luſt des Tages, und durften
nicht mit den andern ins Schloß kommen, um mit
ihrem ihnen ſo lieben Junker Vater vom fruͤhen
Morgen bis am ſpaͤten Abend Freude zu haben.
Das einzige Geſez dieſes Tags fuͤr alle Staͤnde
war, ihn vernuͤnftig anzufangen. Sie ſaßen in
ihren Kreiſen, unterredeten ſich von den Freuden
ihres Stands und ihres Alters, wie ſie alle, oder
doch ihrer viele, mehr dergleichen haben koͤnnten:
was ihnen dieſe Freuden verbittere, und wie ſie
demſelben abhelfen koͤnnen; und nahmen dann jaͤhr-
lich einen guten Vorſaz, in dieſem oder jenem
Stuͤck fuͤr die Freuden ihres Lebens vernuͤnftige
Sorge zu tragen.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787, S. 319. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787/337>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.