ter zu dem Lienhart, der in dem hintersten Stuhle saß, nahm ihm mit sich an der Hand durch alle Leute hindurch herfür zum Junker ins Chor -- der Junker stund auf, zeigte ihm seinen Plaz, und dann kam (der Junker hatte es ihm im Geheim be- fohlen) auch der Friedrich hervor, und dankte ihm vor dem ganzen Volk, daß er ihm sein Leben ge- rettet.
Selber die Ehre der Todten bey ihrem Grab war an ihre Verstienste gebunden; mit der einfach- sten Wahrheit ließ er noch über ihren Sarg, im Kreis der Ihrigen, aus seinen Büchern vorlesen, wie viel Kinder sie erzogen, was sie aus ihnen ge- macht, wie sie in ihren Umständen vorwärts ge- rückt, wie sie ihr väterliches Erbgut verbessert, wie sie ihren Kindern Vortheile hinterlassen, die sie in dieser Welt nicht genossen, und überall, was sie für vorzüglich gute Handlungen gethan.
Durch diese Festknüpfung der Ehre an das Verdienst, war, indem er den Trieb der Ehre sei- nes Volks genugsam befriediget, dennoch auch die Anmaßungssucht des verdienstlosen Stolzes, und die tropfköpfige Bauern-Einbildung auf das Ab- stammen von Vätern und Großvätern, die viel Ochsen im Stall, und viel Schulden im Buch, überdas noch Mäntel und Eide am Halse und am Rücken tragen, gehemmt, und bekam oft und viel
ter zu dem Lienhart, der in dem hinterſten Stuhle ſaß, nahm ihm mit ſich an der Hand durch alle Leute hindurch herfuͤr zum Junker ins Chor — der Junker ſtund auf, zeigte ihm ſeinen Plaz, und dann kam (der Junker hatte es ihm im Geheim be- fohlen) auch der Friedrich hervor, und dankte ihm vor dem ganzen Volk, daß er ihm ſein Leben ge- rettet.
Selber die Ehre der Todten bey ihrem Grab war an ihre Verſtienſte gebunden; mit der einfach- ſten Wahrheit ließ er noch uͤber ihren Sarg, im Kreis der Ihrigen, aus ſeinen Buͤchern vorleſen, wie viel Kinder ſie erzogen, was ſie aus ihnen ge- macht, wie ſie in ihren Umſtaͤnden vorwaͤrts ge- ruͤckt, wie ſie ihr vaͤterliches Erbgut verbeſſert, wie ſie ihren Kindern Vortheile hinterlaſſen, die ſie in dieſer Welt nicht genoſſen, und uͤberall, was ſie fuͤr vorzuͤglich gute Handlungen gethan.
Durch dieſe Feſtknuͤpfung der Ehre an das Verdienſt, war, indem er den Trieb der Ehre ſei- nes Volks genugſam befriediget, dennoch auch die Anmaßungsſucht des verdienſtloſen Stolzes, und die tropfkoͤpfige Bauern-Einbildung auf das Ab- ſtammen von Vaͤtern und Großvaͤtern, die viel Ochſen im Stall, und viel Schulden im Buch, uͤberdas noch Maͤntel und Eide am Halſe und am Ruͤcken tragen, gehemmt, und bekam oft und viel
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ter zu dem Lienhart, der in dem hinterſten Stuhle
ſaß, nahm ihm mit ſich an der Hand durch alle
Leute hindurch herfuͤr zum Junker ins Chor —
der Junker ſtund auf, zeigte ihm ſeinen Plaz, und
dann kam (der Junker hatte es ihm im Geheim be-
fohlen) auch der Friedrich hervor, und dankte ihm
vor dem ganzen Volk, daß er ihm ſein Leben ge-
rettet.
Selber die Ehre der Todten bey ihrem Grab
war an ihre Verſtienſte gebunden; mit der einfach-
ſten Wahrheit ließ er noch uͤber ihren Sarg, im
Kreis der Ihrigen, aus ſeinen Buͤchern vorleſen,
wie viel Kinder ſie erzogen, was ſie aus ihnen ge-
macht, wie ſie in ihren Umſtaͤnden vorwaͤrts ge-
ruͤckt, wie ſie ihr vaͤterliches Erbgut verbeſſert, wie
ſie ihren Kindern Vortheile hinterlaſſen, die ſie in
dieſer Welt nicht genoſſen, und uͤberall, was ſie
fuͤr vorzuͤglich gute Handlungen gethan.
Durch dieſe Feſtknuͤpfung der Ehre an das
Verdienſt, war, indem er den Trieb der Ehre ſei-
nes Volks genugſam befriediget, dennoch auch die
Anmaßungsſucht des verdienſtloſen Stolzes, und
die tropfkoͤpfige Bauern-Einbildung auf das Ab-
ſtammen von Vaͤtern und Großvaͤtern, die viel
Ochſen im Stall, und viel Schulden im Buch,
uͤberdas noch Maͤntel und Eide am Halſe und am
Ruͤcken tragen, gehemmt, und bekam oft und viel
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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787, S. 324. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787/342>, abgerufen am 21.11.2024.
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