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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787.

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Kranke, Leidende, kurz, jede gute That, brachte
dem Mann, der sie that, Lob und Ehre; denn
Arner hatte eine Ordnung, daß ihm keine dersel-
ben entgieng.

Und er ließ keine unbelohnt.

Der schönste Lohn, den er einem gab, war
vielleicht der, den der Lienhart erhielt. -- Der
gute Mensch wagte sein Leben für den Friedrich,
seinen Mauergesellen -- als dieser von einem wan-
kenden Gerüst glitschte, und mit dem halben Leib
schon unter das Gerüst herab hieng, und schwebte,
sprang der Lienhart auf die wankenden Balken, bog
sich zwischen weichenden Hölzern hinab gegen den
schwebenden Mann, klemmte sich an ihn an, und
hielt ihn mit wundgequetschten Arm fest, bis eine
angestellte Leiter sie beyde rettete.

Er war verwundet, und konnte 4 Wochen nicht
arbeiten. Als er in der fünften zur Kirche kam, waren
drey neue Stühle im Chor gerade dem Junker
zu; in der Mitte von allen stunden mit großen
Buchstaben die Worte, "diese Stühle sind für Män-
ner, die ihr Leben für ihren Nächsten gewagt"! --

Und als es verläutet, und der Pfarrer und
alles schon in der Kirche war, winkte der Junker
dem Vorsinger, daß er noch nicht singe; dann gieng
der Untervogt aus seinem Stuhl die Kirche hinun-

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Kranke, Leidende, kurz, jede gute That, brachte
dem Mann, der ſie that, Lob und Ehre; denn
Arner hatte eine Ordnung, daß ihm keine derſel-
ben entgieng.

Und er ließ keine unbelohnt.

Der ſchoͤnſte Lohn, den er einem gab, war
vielleicht der, den der Lienhart erhielt. — Der
gute Menſch wagte ſein Leben fuͤr den Friedrich,
ſeinen Mauergeſellen — als dieſer von einem wan-
kenden Geruͤſt glitſchte, und mit dem halben Leib
ſchon unter das Geruͤſt herab hieng, und ſchwebte,
ſprang der Lienhart auf die wankenden Balken, bog
ſich zwiſchen weichenden Hoͤlzern hinab gegen den
ſchwebenden Mann, klemmte ſich an ihn an, und
hielt ihn mit wundgequetſchten Arm feſt, bis eine
angeſtellte Leiter ſie beyde rettete.

Er war verwundet, und konnte 4 Wochen nicht
arbeiten. Als er in der fuͤnften zur Kirche kam, waren
drey neue Stuͤhle im Chor gerade dem Junker
zu; in der Mitte von allen ſtunden mit großen
Buchſtaben die Worte, „dieſe Stuͤhle ſind fuͤr Maͤn-
ner, die ihr Leben fuͤr ihren Naͤchſten gewagt“! —

Und als es verlaͤutet, und der Pfarrer und
alles ſchon in der Kirche war, winkte der Junker
dem Vorſinger, daß er noch nicht ſinge; dann gieng
der Untervogt aus ſeinem Stuhl die Kirche hinun-

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[323/0341] Kranke, Leidende, kurz, jede gute That, brachte dem Mann, der ſie that, Lob und Ehre; denn Arner hatte eine Ordnung, daß ihm keine derſel- ben entgieng. Und er ließ keine unbelohnt. Der ſchoͤnſte Lohn, den er einem gab, war vielleicht der, den der Lienhart erhielt. — Der gute Menſch wagte ſein Leben fuͤr den Friedrich, ſeinen Mauergeſellen — als dieſer von einem wan- kenden Geruͤſt glitſchte, und mit dem halben Leib ſchon unter das Geruͤſt herab hieng, und ſchwebte, ſprang der Lienhart auf die wankenden Balken, bog ſich zwiſchen weichenden Hoͤlzern hinab gegen den ſchwebenden Mann, klemmte ſich an ihn an, und hielt ihn mit wundgequetſchten Arm feſt, bis eine angeſtellte Leiter ſie beyde rettete. Er war verwundet, und konnte 4 Wochen nicht arbeiten. Als er in der fuͤnften zur Kirche kam, waren drey neue Stuͤhle im Chor gerade dem Junker zu; in der Mitte von allen ſtunden mit großen Buchſtaben die Worte, „dieſe Stuͤhle ſind fuͤr Maͤn- ner, die ihr Leben fuͤr ihren Naͤchſten gewagt“! — Und als es verlaͤutet, und der Pfarrer und alles ſchon in der Kirche war, winkte der Junker dem Vorſinger, daß er noch nicht ſinge; dann gieng der Untervogt aus ſeinem Stuhl die Kirche hinun- X 2

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Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787, S. 323. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787/341>, abgerufen am 21.11.2024.