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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787.

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Kräften, zu einem edeln Trieb seiner Thätigkeit
und der Anstrengung derselben um.

Nicht weniger befriedigte er den Hang zur
Ehre auch beym armen Mann, der unter dem
zerrissenen Strohdach in Lumpen gehüllt lebt. Er
ist ein Mensch; und jeder Trieb der Natur, welchen
du ihm befriedigest, macht ihn vollkommner --
und jeder Trieb seiner Natur, den du ihm nicht
befriedigst, läßt ihn unvollkommner -- und --
Gesezgeber! was du ihm nicht giebst, das hast du
nicht von ihm. -- Merk dir das -- und rechne
-- nicht für ihn -- rechne nur für dich, und du
wirst ihm geben, so viel du kannst, damit du ihn so
vollkommen brauchen könnest, als du ihn machen
kannst.

Arner mangelte seinem Volk auch in diesem
Stück nicht. Er reizte die Ehrliebe des Niedrig-
sten wie des Obersten, und band sie eben so fest,
als die übrigen Grundtriebe, an das bürgerliche
Verdienst.

Auf die einfachste Art genoß ein jeder durch die
offene Rechnungen seiner Wirthschaftsbücher Lob,
Ehre, und Unterscheidung in allen Stücken, be-
stimmt nach dem Maße seines Verdiensts. -- Nicht
blos seine Wirthschaft allein, die gute Erziehung
seiner Kinder, der untadelhafte Frieden mit seinen
Nachbarn, die großmüthige Sorgfalt für Arme,

Kraͤften, zu einem edeln Trieb ſeiner Thaͤtigkeit
und der Anſtrengung derſelben um.

Nicht weniger befriedigte er den Hang zur
Ehre auch beym armen Mann, der unter dem
zerriſſenen Strohdach in Lumpen gehuͤllt lebt. Er
iſt ein Menſch; und jeder Trieb der Natur, welchen
du ihm befriedigeſt, macht ihn vollkommner —
und jeder Trieb ſeiner Natur, den du ihm nicht
befriedigſt, laͤßt ihn unvollkommner — und —
Geſezgeber! was du ihm nicht giebſt, das haſt du
nicht von ihm. — Merk dir das — und rechne
— nicht fuͤr ihn — rechne nur fuͤr dich, und du
wirſt ihm geben, ſo viel du kannſt, damit du ihn ſo
vollkommen brauchen koͤnneſt, als du ihn machen
kannſt.

Arner mangelte ſeinem Volk auch in dieſem
Stuͤck nicht. Er reizte die Ehrliebe des Niedrig-
ſten wie des Oberſten, und band ſie eben ſo feſt,
als die uͤbrigen Grundtriebe, an das buͤrgerliche
Verdienſt.

Auf die einfachſte Art genoß ein jeder durch die
offene Rechnungen ſeiner Wirthſchaftsbuͤcher Lob,
Ehre, und Unterſcheidung in allen Stuͤcken, be-
ſtimmt nach dem Maße ſeines Verdienſts. — Nicht
blos ſeine Wirthſchaft allein, die gute Erziehung
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[322/0340] Kraͤften, zu einem edeln Trieb ſeiner Thaͤtigkeit und der Anſtrengung derſelben um. Nicht weniger befriedigte er den Hang zur Ehre auch beym armen Mann, der unter dem zerriſſenen Strohdach in Lumpen gehuͤllt lebt. Er iſt ein Menſch; und jeder Trieb der Natur, welchen du ihm befriedigeſt, macht ihn vollkommner — und jeder Trieb ſeiner Natur, den du ihm nicht befriedigſt, laͤßt ihn unvollkommner — und — Geſezgeber! was du ihm nicht giebſt, das haſt du nicht von ihm. — Merk dir das — und rechne — nicht fuͤr ihn — rechne nur fuͤr dich, und du wirſt ihm geben, ſo viel du kannſt, damit du ihn ſo vollkommen brauchen koͤnneſt, als du ihn machen kannſt. Arner mangelte ſeinem Volk auch in dieſem Stuͤck nicht. Er reizte die Ehrliebe des Niedrig- ſten wie des Oberſten, und band ſie eben ſo feſt, als die uͤbrigen Grundtriebe, an das buͤrgerliche Verdienſt. Auf die einfachſte Art genoß ein jeder durch die offene Rechnungen ſeiner Wirthſchaftsbuͤcher Lob, Ehre, und Unterſcheidung in allen Stuͤcken, be- ſtimmt nach dem Maße ſeines Verdienſts. — Nicht blos ſeine Wirthſchaft allein, die gute Erziehung ſeiner Kinder, der untadelhafte Frieden mit ſeinen Nachbarn, die großmuͤthige Sorgfalt fuͤr Arme,

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Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787, S. 322. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787/340>, abgerufen am 21.11.2024.