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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787.

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Der Pfafheit gebundener Sinn nähret das
Laster -- und des Gözendiensts sinnenbehagliche
Feyer ist wie Minnengesang jedem Naturtrieb. --

Trügerin! du fragst das Waislin, kennst du
meinen Gott? Und den Unterdrückten, kannst
du meinen Glauben auswendig?

Auch deine Liebe ist an deinen Gözen gebun-
den. Du zerreißest die Bande des Friedens ob ei-
nem einzigen Wort. --

Du bindest die Sicherheit und den Wohlstand
des Staats, wie das Allmosen des Bettlers, mit
Gefährde an deiner Meynungen Dienst. --

Du verunglimpfest außer ihm alle Quellen der
Weisheit, und des häuslichen und bürgerlichen
Wohls, und nennest deinen Glauben den allein se-
ligmachenden. --

Heuchlerin! du sagst, du verdammest nicht!
was sollen denn die andern, wenn nicht selig machen?

Wann du redst, so hast du Vorbehalt in dei-
ner Seele (Reservatio mentalis.)

Du wehest die Fahne des Mords, als wären
sie Fahnen der Liebe.

Kennerin des Elends --! du rufest die Ver-
wahrloseten zu deinem truglichen Trost -- du lo-


Der Pfafheit gebundener Sinn naͤhret das
Laſter — und des Goͤzendienſts ſinnenbehagliche
Feyer iſt wie Minnengeſang jedem Naturtrieb. —

Truͤgerin! du fragſt das Waiſlin, kennſt du
meinen Gott? Und den Unterdruͤckten, kannſt
du meinen Glauben auswendig?

Auch deine Liebe iſt an deinen Goͤzen gebun-
den. Du zerreißeſt die Bande des Friedens ob ei-
nem einzigen Wort. —

Du bindeſt die Sicherheit und den Wohlſtand
des Staats, wie das Allmoſen des Bettlers, mit
Gefaͤhrde an deiner Meynungen Dienſt. —

Du verunglimpfeſt außer ihm alle Quellen der
Weisheit, und des haͤuslichen und buͤrgerlichen
Wohls, und nenneſt deinen Glauben den allein ſe-
ligmachenden. —

Heuchlerin! du ſagſt, du verdammeſt nicht!
was ſollen denn die andern, wenn nicht ſelig machen?

Wann du redſt, ſo haſt du Vorbehalt in dei-
ner Seele (Reſervatio mentalis.)

Du weheſt die Fahne des Mords, als waͤren
ſie Fahnen der Liebe.

Kennerin des Elends —! du rufeſt die Ver-
wahrloſeten zu deinem truglichen Troſt — du lo-

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[333/0351] Der Pfafheit gebundener Sinn naͤhret das Laſter — und des Goͤzendienſts ſinnenbehagliche Feyer iſt wie Minnengeſang jedem Naturtrieb. — Truͤgerin! du fragſt das Waiſlin, kennſt du meinen Gott? Und den Unterdruͤckten, kannſt du meinen Glauben auswendig? Auch deine Liebe iſt an deinen Goͤzen gebun- den. Du zerreißeſt die Bande des Friedens ob ei- nem einzigen Wort. — Du bindeſt die Sicherheit und den Wohlſtand des Staats, wie das Allmoſen des Bettlers, mit Gefaͤhrde an deiner Meynungen Dienſt. — Du verunglimpfeſt außer ihm alle Quellen der Weisheit, und des haͤuslichen und buͤrgerlichen Wohls, und nenneſt deinen Glauben den allein ſe- ligmachenden. — Heuchlerin! du ſagſt, du verdammeſt nicht! was ſollen denn die andern, wenn nicht ſelig machen? Wann du redſt, ſo haſt du Vorbehalt in dei- ner Seele (Reſervatio mentalis.) Du weheſt die Fahne des Mords, als waͤren ſie Fahnen der Liebe. Kennerin des Elends —! du rufeſt die Ver- wahrloſeten zu deinem truglichen Troſt — du lo-

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Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787, S. 333. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787/351>, abgerufen am 24.11.2024.