wenn sie nur wollten. Er brachte einen jeden Ein- wurf in Anschlag; er blieb keinem einzigen ein Wort schuldig; war auch gegen den Dümmsten, der ihm widersprach, geduldig; und hatte so we- nig, als vor 40 Jahren, da er noch bettelte, den gewöhnlichen Vorgesezten Ton, der immer alles, was die Bauern selber machen, und selber wollen sollten, verdirbt. Zulezt sagte er, ich weiß, es ist keiner da, der nicht lieber seinen Kindern sein Land, Bodenzins, Zehnden- und Steuerfrey hin- terlassen wollte, um doppelt so viel Gut als er be- sizt, und keiner, der nicht erkennt, es wäre auf die erste Manier besser für sie gesorgt, als auf die lezte; und dann auch, daß keiner da sizt, der nicht überzeugt ist, daß wir diese Summe zusammen bringen können, wenn wir nur wollen. --
Wer die Bauern kennt, der weiß, daß sie sich dafür fast hängen lassen würden, ihr Land Zehn- den- Bodenzins- und Steuerfrey zu bekommen. Stelle dir also vor Leser! was dieser Vortrag auf sie für einen Eindruck gemacht! Ein Heide ist nicht so lüstern nach dem Raub, als sie nach der Zehn- den-Freyheit waren; sie stüzten ihre Backen, kraz- ten im Haar, und thaten viel anders d[a]s zeigte, wie gern sie möchten, aber auch, wie sehr sie nicht trauten. Ihrer etliche sagten ihm, du machst uns das Maul verflucht wässerig -- aber --
A a 4
wenn ſie nur wollten. Er brachte einen jeden Ein- wurf in Anſchlag; er blieb keinem einzigen ein Wort ſchuldig; war auch gegen den Duͤmmſten, der ihm widerſprach, geduldig; und hatte ſo we- nig, als vor 40 Jahren, da er noch bettelte, den gewoͤhnlichen Vorgeſezten Ton, der immer alles, was die Bauern ſelber machen, und ſelber wollen ſollten, verdirbt. Zulezt ſagte er, ich weiß, es iſt keiner da, der nicht lieber ſeinen Kindern ſein Land, Bodenzins, Zehnden- und Steuerfrey hin- terlaſſen wollte, um doppelt ſo viel Gut als er be- ſizt, und keiner, der nicht erkennt, es waͤre auf die erſte Manier beſſer fuͤr ſie geſorgt, als auf die lezte; und dann auch, daß keiner da ſizt, der nicht uͤberzeugt iſt, daß wir dieſe Summe zuſammen bringen koͤnnen, wenn wir nur wollen. —
Wer die Bauern kennt, der weiß, daß ſie ſich dafuͤr faſt haͤngen laſſen wuͤrden, ihr Land Zehn- den- Bodenzins- und Steuerfrey zu bekommen. Stelle dir alſo vor Leſer! was dieſer Vortrag auf ſie fuͤr einen Eindruck gemacht! Ein Heide iſt nicht ſo luͤſtern nach dem Raub, als ſie nach der Zehn- den-Freyheit waren; ſie ſtuͤzten ihre Backen, kraz- ten im Haar, und thaten viel anders d[a]s zeigte, wie gern ſie moͤchten, aber auch, wie ſehr ſie nicht trauten. Ihrer etliche ſagten ihm, du machſt uns das Maul verflucht waͤſſerig — aber —
A a 4
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0393"n="375"/>
wenn ſie nur wollten. Er brachte einen jeden Ein-<lb/>
wurf in Anſchlag; er blieb keinem einzigen ein<lb/>
Wort ſchuldig; war auch gegen den Duͤmmſten,<lb/>
der ihm widerſprach, geduldig; und hatte ſo we-<lb/>
nig, als vor 40 Jahren, da er noch bettelte, den<lb/>
gewoͤhnlichen Vorgeſezten Ton, der immer alles,<lb/>
was die Bauern ſelber machen, und ſelber wollen<lb/>ſollten, verdirbt. Zulezt ſagte er, ich weiß, es<lb/>
iſt keiner da, der nicht lieber ſeinen Kindern ſein<lb/>
Land, Bodenzins, Zehnden- und Steuerfrey hin-<lb/>
terlaſſen wollte, um doppelt ſo viel Gut als er be-<lb/>ſizt, und keiner, der nicht erkennt, es waͤre auf<lb/>
die erſte Manier beſſer fuͤr ſie geſorgt, als auf die<lb/>
lezte; und dann auch, daß keiner da ſizt, der nicht<lb/>
uͤberzeugt iſt, daß wir dieſe Summe zuſammen<lb/>
bringen koͤnnen, wenn wir nur wollen. —</p><lb/><p>Wer die Bauern kennt, der weiß, daß ſie ſich<lb/>
dafuͤr faſt haͤngen laſſen wuͤrden, ihr Land Zehn-<lb/>
den- Bodenzins- und Steuerfrey zu bekommen.<lb/>
Stelle dir alſo vor Leſer! was dieſer Vortrag auf<lb/>ſie fuͤr einen Eindruck gemacht! Ein Heide iſt nicht<lb/>ſo luͤſtern nach dem Raub, als ſie nach der Zehn-<lb/>
den-Freyheit waren; ſie ſtuͤzten ihre Backen, kraz-<lb/>
ten im Haar, und thaten viel anders d<supplied>a</supplied>s zeigte,<lb/>
wie gern ſie moͤchten, aber auch, wie ſehr ſie nicht<lb/>
trauten. Ihrer etliche ſagten ihm, du machſt uns<lb/>
das Maul verflucht waͤſſerig — aber —</p><lb/><fwplace="bottom"type="sig">A a 4</fw><lb/></div></body></text></TEI>
[375/0393]
wenn ſie nur wollten. Er brachte einen jeden Ein-
wurf in Anſchlag; er blieb keinem einzigen ein
Wort ſchuldig; war auch gegen den Duͤmmſten,
der ihm widerſprach, geduldig; und hatte ſo we-
nig, als vor 40 Jahren, da er noch bettelte, den
gewoͤhnlichen Vorgeſezten Ton, der immer alles,
was die Bauern ſelber machen, und ſelber wollen
ſollten, verdirbt. Zulezt ſagte er, ich weiß, es
iſt keiner da, der nicht lieber ſeinen Kindern ſein
Land, Bodenzins, Zehnden- und Steuerfrey hin-
terlaſſen wollte, um doppelt ſo viel Gut als er be-
ſizt, und keiner, der nicht erkennt, es waͤre auf
die erſte Manier beſſer fuͤr ſie geſorgt, als auf die
lezte; und dann auch, daß keiner da ſizt, der nicht
uͤberzeugt iſt, daß wir dieſe Summe zuſammen
bringen koͤnnen, wenn wir nur wollen. —
Wer die Bauern kennt, der weiß, daß ſie ſich
dafuͤr faſt haͤngen laſſen wuͤrden, ihr Land Zehn-
den- Bodenzins- und Steuerfrey zu bekommen.
Stelle dir alſo vor Leſer! was dieſer Vortrag auf
ſie fuͤr einen Eindruck gemacht! Ein Heide iſt nicht
ſo luͤſtern nach dem Raub, als ſie nach der Zehn-
den-Freyheit waren; ſie ſtuͤzten ihre Backen, kraz-
ten im Haar, und thaten viel anders das zeigte,
wie gern ſie moͤchten, aber auch, wie ſehr ſie nicht
trauten. Ihrer etliche ſagten ihm, du machſt uns
das Maul verflucht waͤſſerig — aber —
A a 4
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787, S. 375. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787/393>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.