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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787.

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geraden Weg, entweder muß der Zustand des Volks
auf einen festen Fuß gesezt werden, und es muß
Dorf, als Dorf, und im Großen so gut frey ge-
stellt werden, aus seinen guten Umständen, ohne
Nachtheil und zum Nutzen der Herrschaft für seine
Nachkommen, wahre und wesentliche Vortheile zu
suchen, als es einem jeden einzelnem Menschen er-
laubt ist, dieses zu thun, oder es kommt nichts
heraus. Er murrete bey sich selber, es wäre ja,
wenn man dieses nicht erlauben wollte, vollends,
wie wenn man einem sagte, du darfst in einem
Haus so viel schöne Zimmer machen als du willt,
aber die 4 Hauptwände des Hauses darfst du nicht
in Stand stellen, daß sie nicht zusammen fallen.
Und er kam wie ein Jud, der auf dem Weg zu
einem Markt immer mit sich selber rechnet, den
Kopf immer schüttelt, und das Maul nie still hält,
-- diesmal ins Schloß.

Arner bat ihn, ihm zu zeigen, wie es mög-
lich, daß das Dorf eine Summe von dieser Größe
zusammen bringen könnte! -- Der Lieutenant sezte
sich neben den Vogt hin, rechnete Satz für Satz
nach was er angab -- eine Viertelstunde gieng
vorüber, und der Ausspruch ward: Die Sache
sey möglich! -- Der Junker und der Lieutenant
stunden eine Weile erstaunt bey der so lang mis-
kannten und ungenuzten ersten Quelle des mensch-
lichen Wohlstands. --

geraden Weg, entweder muß der Zuſtand des Volks
auf einen feſten Fuß geſezt werden, und es muß
Dorf, als Dorf, und im Großen ſo gut frey ge-
ſtellt werden, aus ſeinen guten Umſtaͤnden, ohne
Nachtheil und zum Nutzen der Herrſchaft fuͤr ſeine
Nachkommen, wahre und weſentliche Vortheile zu
ſuchen, als es einem jeden einzelnem Menſchen er-
laubt iſt, dieſes zu thun, oder es kommt nichts
heraus. Er murrete bey ſich ſelber, es waͤre ja,
wenn man dieſes nicht erlauben wollte, vollends,
wie wenn man einem ſagte, du darfſt in einem
Haus ſo viel ſchoͤne Zimmer machen als du willt,
aber die 4 Hauptwaͤnde des Hauſes darfſt du nicht
in Stand ſtellen, daß ſie nicht zuſammen fallen.
Und er kam wie ein Jud, der auf dem Weg zu
einem Markt immer mit ſich ſelber rechnet, den
Kopf immer ſchuͤttelt, und das Maul nie ſtill haͤlt,
— diesmal ins Schloß.

Arner bat ihn, ihm zu zeigen, wie es moͤg-
lich, daß das Dorf eine Summe von dieſer Groͤße
zuſammen bringen koͤnnte! — Der Lieutenant ſezte
ſich neben den Vogt hin, rechnete Satz fuͤr Satz
nach was er angab — eine Viertelſtunde gieng
voruͤber, und der Ausſpruch ward: Die Sache
ſey moͤglich! — Der Junker und der Lieutenant
ſtunden eine Weile erſtaunt bey der ſo lang mis-
kannten und ungenuzten erſten Quelle des menſch-
lichen Wohlſtands. —

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[379/0397] geraden Weg, entweder muß der Zuſtand des Volks auf einen feſten Fuß geſezt werden, und es muß Dorf, als Dorf, und im Großen ſo gut frey ge- ſtellt werden, aus ſeinen guten Umſtaͤnden, ohne Nachtheil und zum Nutzen der Herrſchaft fuͤr ſeine Nachkommen, wahre und weſentliche Vortheile zu ſuchen, als es einem jeden einzelnem Menſchen er- laubt iſt, dieſes zu thun, oder es kommt nichts heraus. Er murrete bey ſich ſelber, es waͤre ja, wenn man dieſes nicht erlauben wollte, vollends, wie wenn man einem ſagte, du darfſt in einem Haus ſo viel ſchoͤne Zimmer machen als du willt, aber die 4 Hauptwaͤnde des Hauſes darfſt du nicht in Stand ſtellen, daß ſie nicht zuſammen fallen. Und er kam wie ein Jud, der auf dem Weg zu einem Markt immer mit ſich ſelber rechnet, den Kopf immer ſchuͤttelt, und das Maul nie ſtill haͤlt, — diesmal ins Schloß. Arner bat ihn, ihm zu zeigen, wie es moͤg- lich, daß das Dorf eine Summe von dieſer Groͤße zuſammen bringen koͤnnte! — Der Lieutenant ſezte ſich neben den Vogt hin, rechnete Satz fuͤr Satz nach was er angab — eine Viertelſtunde gieng voruͤber, und der Ausſpruch ward: Die Sache ſey moͤglich! — Der Junker und der Lieutenant ſtunden eine Weile erſtaunt bey der ſo lang mis- kannten und ungenuzten erſten Quelle des menſch- lichen Wohlſtands. —

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Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787, S. 379. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787/397>, abgerufen am 21.11.2024.