Das ist richtig, erwiederte Bylifsky, es könnte unmöglich anders seyn, als der Glaube, es sey mit der Religion alles in Ordnung, mußte die Mesch- heit nothwendig über diesen Punkt blind und sorg- los machen; und eben so nothwendig mußten die in seinem Innersten begünstigte Schwäche und Sorglosigkeit sich auf das Ganze seines Zustands und seiner Stimmung ausbreiten -- und doch wäre dieser Glauben, es sey dann mit der Religion alles in Ordnung, das öffentliche Ziel einer solchen Ver- einigung. --
Endorf aber meynte, die Welt sey zu stark vor- geschritten, als daß sie izt noch etwas von einer Schlinge zu befahren hätte, die ihr von dieser Seite gelegt werden könnte.
Aber Nelkron sagte, der Mensch legt sich mit Leib und Seele so gern auf die faule Haut, und es kommt darauf an, wie weit die Urheber eines sol- chen Vereinigungsplans einen mehr oder minder klugen Gebrauch von dieser Menschenschwäche, die unsere Tage dennoch so ganz besonders auszeichnen, machen würden. -- Wenn sie z. Ex. den ersten Be- cher dieses Seelenopiums Fürsten austrinken ma- chen würden, so bin ich sicher, daß ganze Völker nach ihnen den Hepfen dieses Schlaftranks hinun- terschlucken, wie einen Göttertrank. --
Der Grad unserer Aufklärung macht das un- möglich, meynte Endorf.
Das iſt richtig, erwiederte Bylifsky, es koͤnnte unmoͤglich anders ſeyn, als der Glaube, es ſey mit der Religion alles in Ordnung, mußte die Meſch- heit nothwendig uͤber dieſen Punkt blind und ſorg- los machen; und eben ſo nothwendig mußten die in ſeinem Innerſten beguͤnſtigte Schwaͤche und Sorgloſigkeit ſich auf das Ganze ſeines Zuſtands und ſeiner Stimmung ausbreiten — und doch waͤre dieſer Glauben, es ſey dann mit der Religion alles in Ordnung, das oͤffentliche Ziel einer ſolchen Ver- einigung. —
Endorf aber meynte, die Welt ſey zu ſtark vor- geſchritten, als daß ſie izt noch etwas von einer Schlinge zu befahren haͤtte, die ihr von dieſer Seite gelegt werden koͤnnte.
Aber Nelkron ſagte, der Menſch legt ſich mit Leib und Seele ſo gern auf die faule Haut, und es kommt darauf an, wie weit die Urheber eines ſol- chen Vereinigungsplans einen mehr oder minder klugen Gebrauch von dieſer Menſchenſchwaͤche, die unſere Tage dennoch ſo ganz beſonders auszeichnen, machen wuͤrden. — Wenn ſie z. Ex. den erſten Be- cher dieſes Seelenopiums Fuͤrſten austrinken ma- chen wuͤrden, ſo bin ich ſicher, daß ganze Voͤlker nach ihnen den Hepfen dieſes Schlaftranks hinun- terſchlucken, wie einen Goͤttertrank. —
Der Grad unſerer Aufklaͤrung macht das un- moͤglich, meynte Endorf.
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Das iſt richtig, erwiederte Bylifsky, es koͤnnte
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der Religion alles in Ordnung, mußte die Meſch-
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los machen; und eben ſo nothwendig mußten die
in ſeinem Innerſten beguͤnſtigte Schwaͤche und
Sorgloſigkeit ſich auf das Ganze ſeines Zuſtands
und ſeiner Stimmung ausbreiten — und doch waͤre
dieſer Glauben, es ſey dann mit der Religion alles
in Ordnung, das oͤffentliche Ziel einer ſolchen Ver-
einigung. —
Endorf aber meynte, die Welt ſey zu ſtark vor-
geſchritten, als daß ſie izt noch etwas von einer
Schlinge zu befahren haͤtte, die ihr von dieſer Seite
gelegt werden koͤnnte.
Aber Nelkron ſagte, der Menſch legt ſich mit
Leib und Seele ſo gern auf die faule Haut, und es
kommt darauf an, wie weit die Urheber eines ſol-
chen Vereinigungsplans einen mehr oder minder
klugen Gebrauch von dieſer Menſchenſchwaͤche, die
unſere Tage dennoch ſo ganz beſonders auszeichnen,
machen wuͤrden. — Wenn ſie z. Ex. den erſten Be-
cher dieſes Seelenopiums Fuͤrſten austrinken ma-
chen wuͤrden, ſo bin ich ſicher, daß ganze Voͤlker
nach ihnen den Hepfen dieſes Schlaftranks hinun-
terſchlucken, wie einen Goͤttertrank. —
Der Grad unſerer Aufklaͤrung macht das un-
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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787, S. 406. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787/424>, abgerufen am 21.11.2024.
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