wollte, denn wär es etwas -- anders, als blos lächerlich. --
Aber der gleiche Geistliche war dannnoch im Stande, hinter diesem zu sagen, der Lieutenant und der Pfarrer haben weder Physik noch Landbaukennt- niß, die sie in Stand setzen, das Volk real auch nur hierinn weiter zu bringen, sie haben nicht einmal Kenntniß der neuern Hilfsmittel der Volksaufklä- rung. --
Herr! antwortete der Lieutenant, ihr kennet das Volk nicht, und versteht nicht, was es heißt, es zu führen, und was es braucht, es weiters zu bringen; und trat dann in diese Materie hinein, und sagte: es ist gar nicht, daß einer, der das Volk führen will, in allem den Detail verstehen müsse, was er will daß es lerne. Die Kunst ist, daß er es lehre angreifen was es muß, und denken, worüber es ihm nöthig zu denken ist, alles übrige giebt sich dann von selber; wenn man wolle die Bauern da- durch, daß man ihre Sachen im Detail selber stu- diere, und einfältig und deutlich mit ihnen rede, und ihnen Büchelchen, die so klar als Brunnenwas- ser seyen, machen könne, weiters bringen, so gehe man an den Wänden, man bringe den Bauer nicht weiter, außer man ziehe ihn, daß er des Den- kens gewohnt werde, und bringt seine Vorurtheile nicht aus ihm heraus, außer man bilde seinen Wahrheitssinn mit einer Kraft, die diesen Vorur-
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wollte, denn waͤr es etwas — anders, als blos laͤcherlich. —
Aber der gleiche Geiſtliche war dannnoch im Stande, hinter dieſem zu ſagen, der Lieutenant und der Pfarrer haben weder Phyſik noch Landbaukennt- niß, die ſie in Stand ſetzen, das Volk real auch nur hierinn weiter zu bringen, ſie haben nicht einmal Kenntniß der neuern Hilfsmittel der Volksaufklaͤ- rung. —
Herr! antwortete der Lieutenant, ihr kennet das Volk nicht, und verſteht nicht, was es heißt, es zu fuͤhren, und was es braucht, es weiters zu bringen; und trat dann in dieſe Materie hinein, und ſagte: es iſt gar nicht, daß einer, der das Volk fuͤhren will, in allem den Detail verſtehen muͤſſe, was er will daß es lerne. Die Kunſt iſt, daß er es lehre angreifen was es muß, und denken, woruͤber es ihm noͤthig zu denken iſt, alles uͤbrige giebt ſich dann von ſelber; wenn man wolle die Bauern da- durch, daß man ihre Sachen im Detail ſelber ſtu- diere, und einfaͤltig und deutlich mit ihnen rede, und ihnen Buͤchelchen, die ſo klar als Brunnenwaſ- ſer ſeyen, machen koͤnne, weiters bringen, ſo gehe man an den Waͤnden, man bringe den Bauer nicht weiter, außer man ziehe ihn, daß er des Den- kens gewohnt werde, und bringt ſeine Vorurtheile nicht aus ihm heraus, außer man bilde ſeinen Wahrheitsſinn mit einer Kraft, die dieſen Vorur-
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[455/0473]
wollte, denn waͤr es etwas — anders, als blos
laͤcherlich. —
Aber der gleiche Geiſtliche war dannnoch im
Stande, hinter dieſem zu ſagen, der Lieutenant und
der Pfarrer haben weder Phyſik noch Landbaukennt-
niß, die ſie in Stand ſetzen, das Volk real auch nur
hierinn weiter zu bringen, ſie haben nicht einmal
Kenntniß der neuern Hilfsmittel der Volksaufklaͤ-
rung. —
Herr! antwortete der Lieutenant, ihr kennet
das Volk nicht, und verſteht nicht, was es heißt,
es zu fuͤhren, und was es braucht, es weiters zu
bringen; und trat dann in dieſe Materie hinein,
und ſagte: es iſt gar nicht, daß einer, der das Volk
fuͤhren will, in allem den Detail verſtehen muͤſſe,
was er will daß es lerne. Die Kunſt iſt, daß er es
lehre angreifen was es muß, und denken, woruͤber
es ihm noͤthig zu denken iſt, alles uͤbrige giebt ſich
dann von ſelber; wenn man wolle die Bauern da-
durch, daß man ihre Sachen im Detail ſelber ſtu-
diere, und einfaͤltig und deutlich mit ihnen rede,
und ihnen Buͤchelchen, die ſo klar als Brunnenwaſ-
ſer ſeyen, machen koͤnne, weiters bringen, ſo gehe
man an den Waͤnden, man bringe den Bauer
nicht weiter, außer man ziehe ihn, daß er des Den-
kens gewohnt werde, und bringt ſeine Vorurtheile
nicht aus ihm heraus, außer man bilde ſeinen
Wahrheitsſinn mit einer Kraft, die dieſen Vorur-
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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787, S. 455. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787/473>, abgerufen am 24.11.2024.
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