Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Hauptschwierigkeiten, die der Errichtung
aller neuen Gewerbsbranches im Weg stehen, sey
die Rohheit, Unordnung, Unanstelligkeit des ge-
meinen Volks. Alles, was solche Leute in die Hand
nehmen, gehe zu Grund, was sie gerad machen
sollen, machen sie krumm, und da sie weder Kennt-
niß noch Erfahrung im Geldgebrauch haben, so
gehe es unter ihren Händen zu grund wie nichts,
je mehr sie verdienen, je mehr verthun sie wieder,
das erniedrige sie zu falschen, untreuen, gefähr-
lichen Menschen, und alle diese Umstände bringen
den meisten Anfängern von neuen Gewerbsbran-
chen einen ihnen unerschwinglichen Verlurst, auch
sehe man sie alltäglich unter solchen Händen dahin
schwinden, wie Frühlingsmükken bey einem Win-
terfrost.

Wenn hingegen der Staat durch solche Dorf-
einrichtungen solchen Unternehmern, darinn an die
Hand gehen würde, daß sie seines festen Einflus-
ses in die Bildung des Volks zur Anstelligkeit,
Reinlichkeit, Ordnungsliebe, Genauheit und Spar-
samkeit zum Voraus versichert seyn könnten, so wür-
de der erste Stein des Anstosses gehoben seyn, an
welchem die nach allen Arten von Handlungsetab-
lissements so dürstende Gierigkeit aller Reichen so
lang anstossen wird, bis ihre Gesetzgeber erken-
nen, daß sie in dieser Sache auf Fundamente ar-
beiten, und mit Geduld durch vorhergehende Ein-

Die Hauptſchwierigkeiten, die der Errichtung
aller neuen Gewerbsbranches im Weg ſtehen, ſey
die Rohheit, Unordnung, Unanſtelligkeit des ge-
meinen Volks. Alles, was ſolche Leute in die Hand
nehmen, gehe zu Grund, was ſie gerad machen
ſollen, machen ſie krumm, und da ſie weder Kennt-
niß noch Erfahrung im Geldgebrauch haben, ſo
gehe es unter ihren Haͤnden zu grund wie nichts,
je mehr ſie verdienen, je mehr verthun ſie wieder,
das erniedrige ſie zu falſchen, untreuen, gefaͤhr-
lichen Menſchen, und alle dieſe Umſtaͤnde bringen
den meiſten Anfaͤngern von neuen Gewerbsbran-
chen einen ihnen unerſchwinglichen Verlurſt, auch
ſehe man ſie alltaͤglich unter ſolchen Haͤnden dahin
ſchwinden, wie Fruͤhlingsmuͤkken bey einem Win-
terfroſt.

Wenn hingegen der Staat durch ſolche Dorf-
einrichtungen ſolchen Unternehmern, darinn an die
Hand gehen wuͤrde, daß ſie ſeines feſten Einfluſ-
ſes in die Bildung des Volks zur Anſtelligkeit,
Reinlichkeit, Ordnungsliebe, Genauheit und Spar-
ſamkeit zum Voraus verſichert ſeyn koͤnnten, ſo wuͤr-
de der erſte Stein des Anſtoſſes gehoben ſeyn, an
welchem die nach allen Arten von Handlungsetab-
liſſements ſo duͤrſtende Gierigkeit aller Reichen ſo
lang anſtoſſen wird, bis ihre Geſetzgeber erken-
nen, daß ſie in dieſer Sache auf Fundamente ar-
beiten, und mit Geduld durch vorhergehende Ein-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0478" n="460"/>
        <p>Die Haupt&#x017F;chwierigkeiten, die der Errichtung<lb/>
aller neuen Gewerbsbranches im Weg &#x017F;tehen, &#x017F;ey<lb/>
die Rohheit, Unordnung, Unan&#x017F;telligkeit des ge-<lb/>
meinen Volks. Alles, was &#x017F;olche Leute in die Hand<lb/>
nehmen, gehe zu Grund, was &#x017F;ie gerad machen<lb/>
&#x017F;ollen, machen &#x017F;ie krumm, und da &#x017F;ie weder Kennt-<lb/>
niß noch Erfahrung im Geldgebrauch haben, &#x017F;o<lb/>
gehe es unter ihren Ha&#x0364;nden zu grund wie nichts,<lb/>
je mehr &#x017F;ie verdienen, je mehr verthun &#x017F;ie wieder,<lb/>
das erniedrige &#x017F;ie zu fal&#x017F;chen, untreuen, gefa&#x0364;hr-<lb/>
lichen Men&#x017F;chen, und alle die&#x017F;e Um&#x017F;ta&#x0364;nde bringen<lb/>
den mei&#x017F;ten Anfa&#x0364;ngern von neuen Gewerbsbran-<lb/>
chen einen ihnen uner&#x017F;chwinglichen Verlur&#x017F;t, auch<lb/>
&#x017F;ehe man &#x017F;ie allta&#x0364;glich unter &#x017F;olchen Ha&#x0364;nden dahin<lb/>
&#x017F;chwinden, wie Fru&#x0364;hlingsmu&#x0364;kken bey einem Win-<lb/>
terfro&#x017F;t.</p><lb/>
        <p>Wenn hingegen der Staat durch &#x017F;olche Dorf-<lb/>
einrichtungen &#x017F;olchen Unternehmern, darinn an die<lb/>
Hand gehen wu&#x0364;rde, daß &#x017F;ie &#x017F;eines fe&#x017F;ten Einflu&#x017F;-<lb/>
&#x017F;es in die Bildung des Volks zur An&#x017F;telligkeit,<lb/>
Reinlichkeit, Ordnungsliebe, Genauheit und Spar-<lb/>
&#x017F;amkeit zum Voraus ver&#x017F;ichert &#x017F;eyn ko&#x0364;nnten, &#x017F;o wu&#x0364;r-<lb/>
de der er&#x017F;te Stein des An&#x017F;to&#x017F;&#x017F;es gehoben &#x017F;eyn, an<lb/>
welchem die nach allen Arten von Handlungsetab-<lb/>
li&#x017F;&#x017F;ements &#x017F;o du&#x0364;r&#x017F;tende Gierigkeit aller Reichen &#x017F;o<lb/>
lang an&#x017F;to&#x017F;&#x017F;en wird, bis ihre Ge&#x017F;etzgeber erken-<lb/>
nen, daß &#x017F;ie in die&#x017F;er Sache auf Fundamente ar-<lb/>
beiten, und mit Geduld durch vorhergehende Ein-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[460/0478] Die Hauptſchwierigkeiten, die der Errichtung aller neuen Gewerbsbranches im Weg ſtehen, ſey die Rohheit, Unordnung, Unanſtelligkeit des ge- meinen Volks. Alles, was ſolche Leute in die Hand nehmen, gehe zu Grund, was ſie gerad machen ſollen, machen ſie krumm, und da ſie weder Kennt- niß noch Erfahrung im Geldgebrauch haben, ſo gehe es unter ihren Haͤnden zu grund wie nichts, je mehr ſie verdienen, je mehr verthun ſie wieder, das erniedrige ſie zu falſchen, untreuen, gefaͤhr- lichen Menſchen, und alle dieſe Umſtaͤnde bringen den meiſten Anfaͤngern von neuen Gewerbsbran- chen einen ihnen unerſchwinglichen Verlurſt, auch ſehe man ſie alltaͤglich unter ſolchen Haͤnden dahin ſchwinden, wie Fruͤhlingsmuͤkken bey einem Win- terfroſt. Wenn hingegen der Staat durch ſolche Dorf- einrichtungen ſolchen Unternehmern, darinn an die Hand gehen wuͤrde, daß ſie ſeines feſten Einfluſ- ſes in die Bildung des Volks zur Anſtelligkeit, Reinlichkeit, Ordnungsliebe, Genauheit und Spar- ſamkeit zum Voraus verſichert ſeyn koͤnnten, ſo wuͤr- de der erſte Stein des Anſtoſſes gehoben ſeyn, an welchem die nach allen Arten von Handlungsetab- liſſements ſo duͤrſtende Gierigkeit aller Reichen ſo lang anſtoſſen wird, bis ihre Geſetzgeber erken- nen, daß ſie in dieſer Sache auf Fundamente ar- beiten, und mit Geduld durch vorhergehende Ein-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787/478
Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787, S. 460. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787/478>, abgerufen am 24.11.2024.