Der General aber ängstigte sich in seiner Stube über den Kranken, und nahm einsmal den Ent- schluß, gieng zu ihr in ihr Zimmer und sagte, sie soll sich in Acht nehmen, der Vetter sey gar nicht wohl, und er wolle nicht zwey Unglück, es sey ge- nug an einem. -- Izt war sie aufs äußerste ge- trieben, sie verlohr alle Mäßigung, trozte, und sagte ihrem Wohlthäter, sie lasse nicht so mit sich umgehen.
Du kränkst Niemand als alle Menschen, er- wiedert' er, und gieng fort. --
Sie kehrte ihm den Rücken, noch ehe er hin- aus war -- und er hatte kaum die Thüre be- schlossen, so sagte sie zu Aglee -- ich frag ihm nichts nach. -- Es war wirklich so -- die Renten, die er ihr gab, waren izt versichert -- und mir nichts und dir nichts -- sie frug ihm nichts nach, und gieng ihm auf dem Fuß nach in Arners Zimmer, spatzierte da hinein wie ein Pfau, oder wie eine Tänzerin, und fragte den guten Kranken vom ge- streckten Hals herab, mit verbissenem Maul -- die Wörter gesezt, wie wenn sie die Buchstaben zählte "Wie befinden Sie sich Vetter?" schwenkte dann, ehe er ihr antworten konnte, hinter dem General vorbey ans Fenster, und sah dann auf dem Gesimse den blutigen Brief von Bonnal; Therese hatte ihn gestern dahin gelegt, und vergessen ihn ins Pult zu
Der General aber aͤngſtigte ſich in ſeiner Stube uͤber den Kranken, und nahm einsmal den Ent- ſchluß, gieng zu ihr in ihr Zimmer und ſagte, ſie ſoll ſich in Acht nehmen, der Vetter ſey gar nicht wohl, und er wolle nicht zwey Ungluͤck, es ſey ge- nug an einem. — Izt war ſie aufs aͤußerſte ge- trieben, ſie verlohr alle Maͤßigung, trozte, und ſagte ihrem Wohlthaͤter, ſie laſſe nicht ſo mit ſich umgehen.
Du kraͤnkſt Niemand als alle Menſchen, er- wiedert' er, und gieng fort. —
Sie kehrte ihm den Ruͤcken, noch ehe er hin- aus war — und er hatte kaum die Thuͤre be- ſchloſſen, ſo ſagte ſie zu Aglee — ich frag ihm nichts nach. — Es war wirklich ſo — die Renten, die er ihr gab, waren izt verſichert — und mir nichts und dir nichts — ſie frug ihm nichts nach, und gieng ihm auf dem Fuß nach in Arners Zimmer, ſpatzierte da hinein wie ein Pfau, oder wie eine Taͤnzerin, und fragte den guten Kranken vom ge- ſtreckten Hals herab, mit verbiſſenem Maul — die Woͤrter geſezt, wie wenn ſie die Buchſtaben zaͤhlte „Wie befinden Sie ſich Vetter?„ ſchwenkte dann, ehe er ihr antworten konnte, hinter dem General vorbey ans Fenſter, und ſah dann auf dem Geſimſe den blutigen Brief von Bonnal; Thereſe hatte ihn geſtern dahin gelegt, und vergeſſen ihn ins Pult zu
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0070"n="52"/><p>Der General aber aͤngſtigte ſich in ſeiner Stube<lb/>
uͤber den Kranken, und nahm einsmal den Ent-<lb/>ſchluß, gieng zu ihr in ihr Zimmer und ſagte, ſie<lb/>ſoll ſich in Acht nehmen, der Vetter ſey gar nicht<lb/>
wohl, und er wolle nicht zwey Ungluͤck, es ſey ge-<lb/>
nug an einem. — Izt war ſie aufs aͤußerſte ge-<lb/>
trieben, ſie verlohr alle Maͤßigung, trozte, und<lb/>ſagte ihrem Wohlthaͤter, ſie laſſe nicht ſo mit ſich<lb/>
umgehen.</p><lb/><p>Du kraͤnkſt Niemand als alle Menſchen, er-<lb/>
wiedert' er, und gieng fort. —</p><lb/><p>Sie kehrte ihm den Ruͤcken, noch ehe er hin-<lb/>
aus war — und er hatte kaum die Thuͤre be-<lb/>ſchloſſen, ſo ſagte ſie zu Aglee — ich frag ihm nichts<lb/>
nach. — Es war wirklich ſo — die Renten, die er<lb/>
ihr gab, waren izt verſichert — und mir nichts<lb/>
und dir nichts —ſie frug ihm nichts nach, und<lb/>
gieng ihm auf dem Fuß nach in Arners Zimmer,<lb/>ſpatzierte da hinein wie ein Pfau, oder wie eine<lb/>
Taͤnzerin, und fragte den guten Kranken vom ge-<lb/>ſtreckten Hals herab, mit verbiſſenem Maul — die<lb/>
Woͤrter geſezt, wie wenn ſie die Buchſtaben zaͤhlte<lb/>„Wie befinden Sie ſich Vetter?„ſchwenkte dann,<lb/>
ehe er ihr antworten konnte, hinter dem General<lb/>
vorbey ans Fenſter, und ſah dann auf dem Geſimſe<lb/>
den blutigen Brief von Bonnal; Thereſe hatte ihn<lb/>
geſtern dahin gelegt, und vergeſſen ihn ins Pult zu<lb/></p></div></body></text></TEI>
[52/0070]
Der General aber aͤngſtigte ſich in ſeiner Stube
uͤber den Kranken, und nahm einsmal den Ent-
ſchluß, gieng zu ihr in ihr Zimmer und ſagte, ſie
ſoll ſich in Acht nehmen, der Vetter ſey gar nicht
wohl, und er wolle nicht zwey Ungluͤck, es ſey ge-
nug an einem. — Izt war ſie aufs aͤußerſte ge-
trieben, ſie verlohr alle Maͤßigung, trozte, und
ſagte ihrem Wohlthaͤter, ſie laſſe nicht ſo mit ſich
umgehen.
Du kraͤnkſt Niemand als alle Menſchen, er-
wiedert' er, und gieng fort. —
Sie kehrte ihm den Ruͤcken, noch ehe er hin-
aus war — und er hatte kaum die Thuͤre be-
ſchloſſen, ſo ſagte ſie zu Aglee — ich frag ihm nichts
nach. — Es war wirklich ſo — die Renten, die er
ihr gab, waren izt verſichert — und mir nichts
und dir nichts — ſie frug ihm nichts nach, und
gieng ihm auf dem Fuß nach in Arners Zimmer,
ſpatzierte da hinein wie ein Pfau, oder wie eine
Taͤnzerin, und fragte den guten Kranken vom ge-
ſtreckten Hals herab, mit verbiſſenem Maul — die
Woͤrter geſezt, wie wenn ſie die Buchſtaben zaͤhlte
„Wie befinden Sie ſich Vetter?„ ſchwenkte dann,
ehe er ihr antworten konnte, hinter dem General
vorbey ans Fenſter, und ſah dann auf dem Geſimſe
den blutigen Brief von Bonnal; Thereſe hatte ihn
geſtern dahin gelegt, und vergeſſen ihn ins Pult zu
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787/70>, abgerufen am 29.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.