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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787.

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ges Fräulein so heule; aber als er hinzu kam,
merkte er da, daß das Geschrey dem Krähen gar
gleich komme, das sie daheim allemal treibt, wann
eine Mücke gegen sie fliegt, oder eine Maus, oder
eine Spinne um den Weg ist. Izt hieß es laufen.
-- Er lief auch, und war bald da. -- Aber als
er um eine Ecke herum kam, und sie plötzlich vor
den Augen hatte, stellte es ihn still, er mußte sich
umkehren und lachen. -- Die weißen Tücher in
den Lüften, ihre Hände über den kahlen Kopf rin-
gend -- und der Haarkorb mit Mist und Federn
am Rücken -- wer mußte nicht lachen! Der Jä-
ger mußte sich umkehren, den Bauch in die Hände
nehmen und den Athem zurückhalten, daß sie ihn
nicht höre. --

Sie kannte ihn nicht, und als sie ihn kannte,
konnte sie nicht reden, sie verkrümmte den Mund,
ballte die Zunge, und konnte einige Augenblicke
keinen vernehmlichen Ton herausbringen. --

Er fragte, ich weiß nicht wie manchmal, was
doch Ihr Gnaden, der Fräulein begegnet? Ehe er
verstehen konnte, daß ein wütender Hund sie ange-
fallen habe. --

Aber er glaubte es nicht, und meynte Buben,
die sie im Wald angetroffen, seyen der Hund --
er gab ihr auch zu verstehen, die wütenden Hunde

ges Fraͤulein ſo heule; aber als er hinzu kam,
merkte er da, daß das Geſchrey dem Kraͤhen gar
gleich komme, das ſie daheim allemal treibt, wann
eine Muͤcke gegen ſie fliegt, oder eine Maus, oder
eine Spinne um den Weg iſt. Izt hieß es laufen.
— Er lief auch, und war bald da. — Aber als
er um eine Ecke herum kam, und ſie ploͤtzlich vor
den Augen hatte, ſtellte es ihn ſtill, er mußte ſich
umkehren und lachen. — Die weißen Tuͤcher in
den Luͤften, ihre Haͤnde uͤber den kahlen Kopf rin-
gend — und der Haarkorb mit Miſt und Federn
am Ruͤcken — wer mußte nicht lachen! Der Jaͤ-
ger mußte ſich umkehren, den Bauch in die Haͤnde
nehmen und den Athem zuruͤckhalten, daß ſie ihn
nicht hoͤre. —

Sie kannte ihn nicht, und als ſie ihn kannte,
konnte ſie nicht reden, ſie verkruͤmmte den Mund,
ballte die Zunge, und konnte einige Augenblicke
keinen vernehmlichen Ton herausbringen. —

Er fragte, ich weiß nicht wie manchmal, was
doch Ihr Gnaden, der Fraͤulein begegnet? Ehe er
verſtehen konnte, daß ein wuͤtender Hund ſie ange-
fallen habe. —

Aber er glaubte es nicht, und meynte Buben,
die ſie im Wald angetroffen, ſeyen der Hund —
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[70/0088] ges Fraͤulein ſo heule; aber als er hinzu kam, merkte er da, daß das Geſchrey dem Kraͤhen gar gleich komme, das ſie daheim allemal treibt, wann eine Muͤcke gegen ſie fliegt, oder eine Maus, oder eine Spinne um den Weg iſt. Izt hieß es laufen. — Er lief auch, und war bald da. — Aber als er um eine Ecke herum kam, und ſie ploͤtzlich vor den Augen hatte, ſtellte es ihn ſtill, er mußte ſich umkehren und lachen. — Die weißen Tuͤcher in den Luͤften, ihre Haͤnde uͤber den kahlen Kopf rin- gend — und der Haarkorb mit Miſt und Federn am Ruͤcken — wer mußte nicht lachen! Der Jaͤ- ger mußte ſich umkehren, den Bauch in die Haͤnde nehmen und den Athem zuruͤckhalten, daß ſie ihn nicht hoͤre. — Sie kannte ihn nicht, und als ſie ihn kannte, konnte ſie nicht reden, ſie verkruͤmmte den Mund, ballte die Zunge, und konnte einige Augenblicke keinen vernehmlichen Ton herausbringen. — Er fragte, ich weiß nicht wie manchmal, was doch Ihr Gnaden, der Fraͤulein begegnet? Ehe er verſtehen konnte, daß ein wuͤtender Hund ſie ange- fallen habe. — Aber er glaubte es nicht, und meynte Buben, die ſie im Wald angetroffen, ſeyen der Hund — er gab ihr auch zu verſtehen, die wuͤtenden Hunde

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Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787/88>, abgerufen am 23.11.2024.