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Petersen, Julius: Die Wissenschaft von der Dichtung. System und Methodenlehre der Literaturwissenschaft. 2. Auflage. Berlin, 1944.

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des ersten Erscheinens zu Unrecht wiederholt ist und daß der Autor ppe_090.002
um seine Rechte an der zweiten Auflage geprellt wurde. Dieser Verdacht ppe_090.003
ist unbegründet, wenn die Doppelausgabe vertraglich vorgesehen ppe_090.004
war, wie beispielsweise Cotta seine erste Gesamtausgabe von Goethes ppe_090.005
Werken aus Gründen des Druckprivilegs in Wien nachdruckte und ppe_090.006
von der endgültigen Gesamtausgabe gleich mehrere im Format und ppe_090.007
Papier verschiedene Fassungen herstellen ließ.

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In bezug auf Überlieferungswert für die Kritik des Textes ist es ppe_090.009
wohl möglich, daß Doppeldrucke, wenn sie auf dieselbe Druckvorlage ppe_090.010
zurückgehen, sich ergänzen, indem der eine die Fehler des anderen ppe_090.011
wieder gut macht, aber seinerseits neue Fehler hineinbringt. Auf jeden ppe_090.012
Fall sind immer nur diejenigen Drucke für Kritik des Textes von ppe_090.013
Wert, an denen der Verfasser irgendwelchen Anteil hatte. Mit dem ppe_090.014
Tod des Verfassers oder schon mit seiner beginnenden Interesselosigkeit ppe_090.015
hört die Zuverlässigkeit auf; Änderungen späterer Auflagen können ppe_090.016
günstigstenfalls die Bedeutung von überlegten Konjekturen haben; ppe_090.017
in der Regel aber sind es nur gedankenlose Vernachlässigungen. Man ppe_090.018
erinnert sich, welche Klagen Jakob Grimm 1859 in seiner Schillerrede ppe_090.019
über die Verwahrlosung der privilegierten Cottaschen Klassikertexte ppe_090.020
führte, nachdem schon vorher Joachim Meyer seine Besserungsvorschläge ppe_090.021
zum Schillertext gemacht hatte. Ein ähnlicher Fall spielte ppe_090.022
sich 30 Jahre nach Theodor Storms Tod ab; als Albert Köster eine ppe_090.023
neue Gesamtausgabe seiner Werke überwachte, stellte sich heraus, ppe_090.024
daß der Text, von einfachen Druckfehlern abgesehen, an mehr als ppe_090.025
1550 Stellen durch Zurückgehen auf die frühen Drucke von eingedrungenen ppe_090.026
und fortgeschleppten Entstellungen zu reinigen war.

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Solche Fehler können sich allerdings auch unter den Augen des ppe_090.028
Dichters einschleichen. Goethe z. B. hat bei seiner 1786 in Karlsbad ppe_090.029
vorgenommenen Umarbeitung von "Werthers Leiden" bequemlichkeitshalber ppe_090.030
den gewissenlosen Nachdruck des Berliners Himburg ppe_090.031
(1779) zugrunde gelegt und bei der Durchsicht eine Reihe von Flüchtigkeiten ppe_090.032
unbemerkt gelassen, die nun über die Ausgabe letzter Hand ppe_090.033
hinaus weiter geschleppt wurden, bis Michael Bernays den Sachverhalt ppe_090.034
aufdeckte. Ähnliches scheint sich bei Grimmelshausens "Simplicissimus" ppe_090.035
abgespielt zu haben, wo der Verfasser bei späterer Umarbeitung ppe_090.036
bewußtermaßen die in Rechtschreibung und Satzbau sehr eingreifenden ppe_090.037
Änderungen eines Nachdruckers, gegen den er im übrigen wetterte, ppe_090.038
sich zu eigen gemacht hat. Der letzte Wille des Dichters ist ppe_090.039
in diesen beiden Fällen verschieden auszulegen: während man beim ppe_090.040
"Simplicissimus" die einheitlich durchgeführte Anpassung an die planmäßigen ppe_090.041
Eingriffe anerkennen muß, wird man beim "Werther" zwar

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des ersten Erscheinens zu Unrecht wiederholt ist und daß der Autor ppe_090.002
um seine Rechte an der zweiten Auflage geprellt wurde. Dieser Verdacht ppe_090.003
ist unbegründet, wenn die Doppelausgabe vertraglich vorgesehen ppe_090.004
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In bezug auf Überlieferungswert für die Kritik des Textes ist es ppe_090.009
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Wert, an denen der Verfasser irgendwelchen Anteil hatte. Mit dem ppe_090.014
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Dichters einschleichen. Goethe z. B. hat bei seiner 1786 in Karlsbad ppe_090.029
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Zitationshilfe: Petersen, Julius: Die Wissenschaft von der Dichtung. System und Methodenlehre der Literaturwissenschaft. 2. Auflage. Berlin, 1944, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/petersen_poetik_1944/114>, abgerufen am 21.11.2024.