ppe_122.001 tendenzmäßigen Nichtdichtung herabführen, während auf der ppe_122.002 anderen Seite Typen des dichterischen Schaffens und der Seelenzustände ppe_122.003 ins Auge gefaßt werden wie tragisch, heroisch, verzweifelt, ppe_122.004 geruhig, idyllisch oder großartig usw.
ppe_122.005 Wir werden diese Eigenschaften an anderen Stellen der Analyse, ppe_122.006 bei den Begriffen des Stils und vorher schon bei dem der Stimmung ppe_122.007 zu erfassen suchen; aber bei der Frage nach den Gattungsbegriffen ppe_122.008 haben wir uns zunächst an rein formale Kennzeichen zu halten, ohne ppe_122.009 daß wir Werte, Maßstäbe der Kritik oder Vorschriften für den ppe_122.010 Schaffenden, wie sie in der alten Poetik allerdings üblich waren, ppe_122.011 damit begründen wollen. Schließlich besitzt jede Sprache, auch wenn ppe_122.012 ihre Ausdrucksfreiheit und Entwicklung keine starren Gesetze kennt, ppe_122.013 eine Grammatik als regulatives Ordnungsprinzip. Subjekt, Prädikat, ppe_122.014 Objekt sind Formen des sprachlichen Erlebnisausdrucks im Satz, wie ppe_122.015 Lyrik, Drama und Epos in der Dichtung. Wenn man auch nicht mittels ppe_122.016 der Grammatik sprechen lernt, so kommt man durch den Gebrauch ppe_122.017 der Sprache mehr und mehr zum grammatischen Bewußtsein. Nicht ppe_122.018 nur die Schulmeister, auch die Redner sichten die sprachlichen Ausdrucksmittel ppe_122.019 in einem Ordnungssystem von Analogien. Nicht nur die ppe_122.020 Theoretiker, sondern nicht weniger die Dichter selbst haben in Selbstbeobachtung ppe_122.021 ihres Schaffens und Selbstüberlegung ihrer Wirkungsmöglichkeiten ppe_122.022 nach ordnenden Grundsätzen innerhalb ihrer Kunst ppe_122.023 gesucht. Wo solche Grundsätze und Erfahrungen auf das Schaffen ppe_122.024 formgebend eingewirkt haben, wo das Kunstwerk selbst die Anwendung ppe_122.025 dieser Grundsätze verrät, ist die Analyse zur Aufmerksamkeit ppe_122.026 verpflichtet. Wenn ein Werk im Zeichen fester Gattungsbegriffe geformt ppe_122.027 worden ist, so muß es auch in diesem Zeichen verstanden ppe_122.028 werden.
ppe_122.029 Die Auseinandersetzung von Goethe und Schiller "Über epische ppe_122.030 und dramatische Dichtung" zur Zeit, da der eine an "Hermann und ppe_122.031 Dorothea", der andere am "Wallenstein" arbeitete, ging von der ppe_122.032 Stellung des Dichters zu seinem Gegenstand aus und sollte zu allgemein ppe_122.033 gültigen Grundbegriffen führen, indem an dem Verhältnis ppe_122.034 zwischen Rhapsoden und Mimen der Unterschied der Stoffvermittlung ppe_122.035 und der Zeitform veranschaulicht wurde: der Rhapsode ist das Sprachrohr ppe_122.036 des Epikers und trägt die Handlung als etwas Vergangenes vor, ppe_122.037 während der Mime, das Sprachrohr des Dramatikers, sie als etwas ppe_122.038 Gegenwärtiges darstellt. Daraus lassen sich alle Folgerungen für die ppe_122.039 Zeitform ziehen, die im Epos unbegrenzte Ausdehnung des Rückblicks ppe_122.040 haben kann, während sie im Drama durch die schlagartige Aufeinanderfolge ppe_122.041 der Vergegenwärtigung beschränkt ist.
ppe_122.001 tendenzmäßigen Nichtdichtung herabführen, während auf der ppe_122.002 anderen Seite Typen des dichterischen Schaffens und der Seelenzustände ppe_122.003 ins Auge gefaßt werden wie tragisch, heroisch, verzweifelt, ppe_122.004 geruhig, idyllisch oder großartig usw.
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ppe_122.029 Die Auseinandersetzung von Goethe und Schiller „Über epische ppe_122.030 und dramatische Dichtung“ zur Zeit, da der eine an „Hermann und ppe_122.031 Dorothea“, der andere am „Wallenstein“ arbeitete, ging von der ppe_122.032 Stellung des Dichters zu seinem Gegenstand aus und sollte zu allgemein ppe_122.033 gültigen Grundbegriffen führen, indem an dem Verhältnis ppe_122.034 zwischen Rhapsoden und Mimen der Unterschied der Stoffvermittlung ppe_122.035 und der Zeitform veranschaulicht wurde: der Rhapsode ist das Sprachrohr ppe_122.036 des Epikers und trägt die Handlung als etwas Vergangenes vor, ppe_122.037 während der Mime, das Sprachrohr des Dramatikers, sie als etwas ppe_122.038 Gegenwärtiges darstellt. Daraus lassen sich alle Folgerungen für die ppe_122.039 Zeitform ziehen, die im Epos unbegrenzte Ausdehnung des Rückblicks ppe_122.040 haben kann, während sie im Drama durch die schlagartige Aufeinanderfolge ppe_122.041 der Vergegenwärtigung beschränkt ist.
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Petersen, Julius: Die Wissenschaft von der Dichtung. System und Methodenlehre der Literaturwissenschaft. 2. Auflage. Berlin, 1944, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/petersen_poetik_1944/146>, abgerufen am 21.11.2024.
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