ppe_123.001 Es fehlt bei dieser Gegenüberstellung der Ort der Lyrik, aber mittelbar ppe_123.002 ist auch dafür eine Bestimmung gegeben. Die reine Lyrik hat die ppe_123.003 vergegenwärtigende Darstellung mit dem Drama gemeinsam, aber sie ppe_123.004 ist auf innere Vorgänge beschränkt; der Dichter bedient sich keines ppe_123.005 mimischen oder rhapsodischen Sprachrohrs, keines Erzählers oder ppe_123.006 Darstellers, sondern er spricht in eigener Person und stellt sich selbst ppe_123.007 dar. Was die reine Lyrik vom Epos und Drama als den pragmatischen ppe_123.008 Dichtungsarten unterscheidet, ist die Stofflosigkeit; sie hat deshalb ppe_123.009 auch keine Zeitausdehnung, weder begrenzte noch unbegrenzte; an ppe_123.010 Stelle der Handlung tritt bei ihr der seelische Zustand. Dafür hat die ppe_123.011 Lyrik mit der Epik gemeinsam den monologischen Vortrag, wodurch ppe_123.012 beide in Gegensatz zu der dialogischen Form des Dramas gebracht ppe_123.013 werden. Die dialogische Form wiederum, bei der ein Wort das andere ppe_123.014 gibt, steht im Zeichen der unaufhaltsam weiterschreitenden Zeit; ppe_123.015 jedes Wort bedeutet einen Augenblick, der mit dem gesprochenen ppe_123.016 Worte verrinnt; nur der Augenblick ist Gegenwart; der verflossene ppe_123.017 Augenblick ist bereits Vergangenheit und kann nicht mehr zurückkehren. ppe_123.018 Alles ist Bewegung und Tempo; es geht Schlag auf Schlag; ppe_123.019 das Hin und Her der Worte ist der Taktschlag der fortrollenden ppe_123.020 Gegenwart.
ppe_123.021 Jede der drei Grundgattungen hat also eine inhaltliche oder formale ppe_123.022 Eigenschaft für sich allein, oder, wie man ebensogut sagen kann, ppe_123.023 diese typischen Eigenschaften rechtfertigen eine empirische Trennung ppe_123.024 der Dichtungsgattungen. Für die Lyrik ist es der Zustand, für die Epik ppe_123.025 der Bericht, für das Drama der Dialog. Wiederum ist jede Gattung mit ppe_123.026 einer der anderen durch etwas Gemeinsames verbunden, das für Epos ppe_123.027 und Drama in der Handlung, für Drama und Lyrik in der Darstellung, ppe_123.028 für Lyrik und Epos im monologischen Vortrag beruht. Das Verhältnis ppe_123.029 der drei reinen Gattungstypen läßt sich also in einem gleichseitigen ppe_123.030 Dreieck veranschaulichen, dessen Seiten jedesmal den Gegensatz zur ppe_123.031 gegenüberliegenden Spitze bedeuten.
ppe_123.032 Aus diesem Schema sind ohne Mühe die drei Grundformeln abzulesen:
ppe_123.033 ppe_123.034
Epos: monologischer Bericht einer Handlung.
ppe_123.035
Lyrik: monologische Darstellung eines Zustandes.
ppe_123.036
Drama: dialogische Darstellung einer Handlung.
ppe_123.037
Zwischen diesen reinen Formtypen aber sind Zwischenstufen anzusetzen, ppe_123.038 die in einer anderen Mischung derselben Urelemente ppe_123.039 bestehen.
ppe_123.040 Zwischen Lyrik und Epos sind die Arten zu finden, deren Form ppe_123.041 sich mehr oder weniger als monologischer Bericht eines Zustandes
ppe_123.001 Es fehlt bei dieser Gegenüberstellung der Ort der Lyrik, aber mittelbar ppe_123.002 ist auch dafür eine Bestimmung gegeben. Die reine Lyrik hat die ppe_123.003 vergegenwärtigende Darstellung mit dem Drama gemeinsam, aber sie ppe_123.004 ist auf innere Vorgänge beschränkt; der Dichter bedient sich keines ppe_123.005 mimischen oder rhapsodischen Sprachrohrs, keines Erzählers oder ppe_123.006 Darstellers, sondern er spricht in eigener Person und stellt sich selbst ppe_123.007 dar. Was die reine Lyrik vom Epos und Drama als den pragmatischen ppe_123.008 Dichtungsarten unterscheidet, ist die Stofflosigkeit; sie hat deshalb ppe_123.009 auch keine Zeitausdehnung, weder begrenzte noch unbegrenzte; an ppe_123.010 Stelle der Handlung tritt bei ihr der seelische Zustand. Dafür hat die ppe_123.011 Lyrik mit der Epik gemeinsam den monologischen Vortrag, wodurch ppe_123.012 beide in Gegensatz zu der dialogischen Form des Dramas gebracht ppe_123.013 werden. Die dialogische Form wiederum, bei der ein Wort das andere ppe_123.014 gibt, steht im Zeichen der unaufhaltsam weiterschreitenden Zeit; ppe_123.015 jedes Wort bedeutet einen Augenblick, der mit dem gesprochenen ppe_123.016 Worte verrinnt; nur der Augenblick ist Gegenwart; der verflossene ppe_123.017 Augenblick ist bereits Vergangenheit und kann nicht mehr zurückkehren. ppe_123.018 Alles ist Bewegung und Tempo; es geht Schlag auf Schlag; ppe_123.019 das Hin und Her der Worte ist der Taktschlag der fortrollenden ppe_123.020 Gegenwart.
ppe_123.021 Jede der drei Grundgattungen hat also eine inhaltliche oder formale ppe_123.022 Eigenschaft für sich allein, oder, wie man ebensogut sagen kann, ppe_123.023 diese typischen Eigenschaften rechtfertigen eine empirische Trennung ppe_123.024 der Dichtungsgattungen. Für die Lyrik ist es der Zustand, für die Epik ppe_123.025 der Bericht, für das Drama der Dialog. Wiederum ist jede Gattung mit ppe_123.026 einer der anderen durch etwas Gemeinsames verbunden, das für Epos ppe_123.027 und Drama in der Handlung, für Drama und Lyrik in der Darstellung, ppe_123.028 für Lyrik und Epos im monologischen Vortrag beruht. Das Verhältnis ppe_123.029 der drei reinen Gattungstypen läßt sich also in einem gleichseitigen ppe_123.030 Dreieck veranschaulichen, dessen Seiten jedesmal den Gegensatz zur ppe_123.031 gegenüberliegenden Spitze bedeuten.
ppe_123.032 Aus diesem Schema sind ohne Mühe die drei Grundformeln abzulesen:
ppe_123.033 ppe_123.034
Epos: monologischer Bericht einer Handlung.
ppe_123.035
Lyrik: monologische Darstellung eines Zustandes.
ppe_123.036
Drama: dialogische Darstellung einer Handlung.
ppe_123.037
Zwischen diesen reinen Formtypen aber sind Zwischenstufen anzusetzen, ppe_123.038 die in einer anderen Mischung derselben Urelemente ppe_123.039 bestehen.
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Es fehlt bei dieser Gegenüberstellung der Ort der Lyrik, aber mittelbar ppe_123.002
ist auch dafür eine Bestimmung gegeben. Die reine Lyrik hat die ppe_123.003
vergegenwärtigende Darstellung mit dem Drama gemeinsam, aber sie ppe_123.004
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Lyrik: monologische Darstellung eines Zustandes.
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Zwischen Lyrik und Epos sind die Arten zu finden, deren Form ppe_123.041
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Petersen, Julius: Die Wissenschaft von der Dichtung. System und Methodenlehre der Literaturwissenschaft. 2. Auflage. Berlin, 1944, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/petersen_poetik_1944/147>, abgerufen am 24.11.2024.
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