ppe_134.001 denken ist, vor. Es mußten Charaktere und Motive mit zu Hilfe ppe_134.002 genommen werden (Le Sauveur, La Vengeance poursuivant le crime, ppe_134.003 Revolte usw.), und trotzdem wurden Dubletten nicht vermieden. ppe_134.004 Derselbe findige Kopf hat gleichzeitig ein Buch "l'art d'inventer les ppe_134.005 personnages" erscheinen lassen, und dabei zeigte sich, daß er eigentlich ppe_134.006 nur ein Rezeptbuch der Erfindungskunst, ein Würfelspiel unendlich ppe_134.007 vieler Kombinationen und eine Gebrauchsanweisung für dramatische ppe_134.008 Algebra geben wollte. Darum kann es sich bei der Analyse ppe_134.009 gegebener Werke nicht handeln.
ppe_134.010 Ein anderer Weg ist, von Polti ausgehend, durch einen deutschamerikanischen ppe_134.011 Gelehrten August C. Mahr eingeschlagen worden. Er ppe_134.012 führte zu weiterer Klärung den neuen Begriff des "dramatischen ppe_134.013 Situationsbildes" ein, das die Situation vor den Augen des Zuschauers ppe_134.014 zur Erscheinung bringt. Danach werden Situationsbildtypen aufgestellt, ppe_134.015 d. h. ähnliche Bild-Ergebnisse bei der Versichtbarlichung ppe_134.016 ähnlicher Situationen. Mahr wählte das Motiv "Haß zwischen Vater ppe_134.017 und Sohn" und zeigte in einer Reihe, die von Sophokles' "Antigone" ppe_134.018 und Euripides' "Hippolytos" über Shakespeares "König Lear", Calderons ppe_134.019 "Leben ein Traum", Racines "Phädra", Schillers "Don Carlos", ppe_134.020 Törrings und Hebbels Agnes Bernauer-Dramen bis zu Raynals ppe_134.021 "Grabmal des unbekannten Soldaten" und Hasenclevers "Sohn" führt, ppe_134.022 wie die verschiedene Ausgestaltung des Situationsbildes für die Analyse ppe_134.023 zum Stilkriterium werden kann.
ppe_134.024 Dieselben typischen Situationsbilder kann auch die epische Dichtung ppe_134.025 vor Augen bringen. Wir kennen die homerische Situation der ppe_134.026 Spinnerin Penelope und die nordische der Wäscherin Gudrun, die ppe_134.027 darin gleich sind, daß sie jede Bewerbung in treuem Ausharren abweisen. ppe_134.028 Die Situation der Frau zwischen mehreren Männern kann ppe_134.029 nun aber eine Abwandlung erfahren, wenn der rechtmäßige Gatte ppe_134.030 totgesagt ist. Findet er sich wieder ein, nachdem die Frau sich ihrer ppe_134.031 Treue für entbunden hielt und einen anderen genommen hat, so ppe_134.032 kommt ein Situationsbild von typischer Tragik zustande. Hat die ppe_134.033 Sage vom Grafen von Gleichen, die das männliche Gegenbild darstellt, ppe_134.034 die Kreuzzüge zum Hintergrund, so pflegt für die parallele Fabel vom ppe_134.035 totgeglaubten Heimkehrer ein großer Krieg oder ein Meeressturm ppe_134.036 schicksalbestimmende Voraussetzung zu sein.
ppe_134.037 Beim Motiv des verschollenen Heimkehrers entwickelt jede Situation ppe_134.038 das Problem, wie sich der Totgesagte wieder ins Leben finden wird, ppe_134.039 z. B. in Ernst Wiecherts "Majorin" oder Ina Seidels "Brömseshof". ppe_134.040 Mit Verlust der rechtmäßigen Frau durch deren anderweitige Bindung ppe_134.041 ersteht ein schier unlösbarer Konflikt. Diese Situation kommt
ppe_134.001 denken ist, vor. Es mußten Charaktere und Motive mit zu Hilfe ppe_134.002 genommen werden (Le Sauveur, La Vengeance poursuivant le crime, ppe_134.003 Révolte usw.), und trotzdem wurden Dubletten nicht vermieden. ppe_134.004 Derselbe findige Kopf hat gleichzeitig ein Buch „l'art d'inventer les ppe_134.005 personnages“ erscheinen lassen, und dabei zeigte sich, daß er eigentlich ppe_134.006 nur ein Rezeptbuch der Erfindungskunst, ein Würfelspiel unendlich ppe_134.007 vieler Kombinationen und eine Gebrauchsanweisung für dramatische ppe_134.008 Algebra geben wollte. Darum kann es sich bei der Analyse ppe_134.009 gegebener Werke nicht handeln.
ppe_134.010 Ein anderer Weg ist, von Polti ausgehend, durch einen deutschamerikanischen ppe_134.011 Gelehrten August C. Mahr eingeschlagen worden. Er ppe_134.012 führte zu weiterer Klärung den neuen Begriff des „dramatischen ppe_134.013 Situationsbildes“ ein, das die Situation vor den Augen des Zuschauers ppe_134.014 zur Erscheinung bringt. Danach werden Situationsbildtypen aufgestellt, ppe_134.015 d. h. ähnliche Bild-Ergebnisse bei der Versichtbarlichung ppe_134.016 ähnlicher Situationen. Mahr wählte das Motiv „Haß zwischen Vater ppe_134.017 und Sohn“ und zeigte in einer Reihe, die von Sophokles' „Antigone“ ppe_134.018 und Euripides' „Hippolytos“ über Shakespeares „König Lear“, Calderons ppe_134.019 „Leben ein Traum“, Racines „Phädra“, Schillers „Don Carlos“, ppe_134.020 Törrings und Hebbels Agnes Bernauer-Dramen bis zu Raynals ppe_134.021 „Grabmal des unbekannten Soldaten“ und Hasenclevers „Sohn“ führt, ppe_134.022 wie die verschiedene Ausgestaltung des Situationsbildes für die Analyse ppe_134.023 zum Stilkriterium werden kann.
ppe_134.024 Dieselben typischen Situationsbilder kann auch die epische Dichtung ppe_134.025 vor Augen bringen. Wir kennen die homerische Situation der ppe_134.026 Spinnerin Penelope und die nordische der Wäscherin Gudrun, die ppe_134.027 darin gleich sind, daß sie jede Bewerbung in treuem Ausharren abweisen. ppe_134.028 Die Situation der Frau zwischen mehreren Männern kann ppe_134.029 nun aber eine Abwandlung erfahren, wenn der rechtmäßige Gatte ppe_134.030 totgesagt ist. Findet er sich wieder ein, nachdem die Frau sich ihrer ppe_134.031 Treue für entbunden hielt und einen anderen genommen hat, so ppe_134.032 kommt ein Situationsbild von typischer Tragik zustande. Hat die ppe_134.033 Sage vom Grafen von Gleichen, die das männliche Gegenbild darstellt, ppe_134.034 die Kreuzzüge zum Hintergrund, so pflegt für die parallele Fabel vom ppe_134.035 totgeglaubten Heimkehrer ein großer Krieg oder ein Meeressturm ppe_134.036 schicksalbestimmende Voraussetzung zu sein.
ppe_134.037 Beim Motiv des verschollenen Heimkehrers entwickelt jede Situation ppe_134.038 das Problem, wie sich der Totgesagte wieder ins Leben finden wird, ppe_134.039 z. B. in Ernst Wiecherts „Majorin“ oder Ina Seidels „Brömseshof“. ppe_134.040 Mit Verlust der rechtmäßigen Frau durch deren anderweitige Bindung ppe_134.041 ersteht ein schier unlösbarer Konflikt. Diese Situation kommt
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Petersen, Julius: Die Wissenschaft von der Dichtung. System und Methodenlehre der Literaturwissenschaft. 2. Auflage. Berlin, 1944, S. 134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/petersen_poetik_1944/158>, abgerufen am 21.11.2024.
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