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Petersen, Julius: Die Wissenschaft von der Dichtung. System und Methodenlehre der Literaturwissenschaft. 2. Auflage. Berlin, 1944.

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schon in Gellerts Roman "Das Leben der schwedischen Gräfin v. G." ppe_135.002
(1746) zu versöhnendem Ausgang und führt ein Jahrhundert später ppe_135.003
in Tennysons Schifferdichtung "Enoch Arden" zu rührendem Verzicht. ppe_135.004
Mit wechselndem Ausgangsmotiv findet sich dasselbe Thema in Dramen ppe_135.005
wieder: in Houwalds "Heimkehr", in Eulenbergs "Belinde", in ppe_135.006
Brechts "Trommeln in der Nacht", in Leonhard Franks "Karl und ppe_135.007
Anna" (Dramatisierung einer Erzählung) und Graffs "Heimkehr des ppe_135.008
Mathias Bruck".

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Eine andere Abwandlung der Situation, und zwar eine weit ältere ppe_135.010
ist folgende: Der erste Mann ist wirklich tot, und die wehklagende ppe_135.011
Witwe läßt an seiner Bahre sich durch einen anderen die Tränen ppe_135.012
trocknen. Im Orient, woher die Fabel kommt, in China und Indien, ppe_135.013
gehörte zu dieser Situation das Motiv des Witwentodes, zu dem die ppe_135.014
Hinterbliebene eigentlich verpflichtet gewesen wäre. Schon im Weiterleben ppe_135.015
liegt eine Treulosigkeit. In der "Matrone von Ephesus" des ppe_135.016
Petronius verschärft sich das Vergehen durch ein neues Steigerungsmotiv, ppe_135.017
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der von ihm zu bewachende Leichnam gestohlen ist, in keine Verlegenheit ppe_135.020
kommt. Dieser Trumpf scheint nicht mehr zu überbieten. ppe_135.021
In den Iwein-Epen des Christian von Troyes und des Hartmann von ppe_135.022
Aue tritt indessen eine weitere Steigerung ein, indem der erfolgreiche ppe_135.023
Bewerber selbst es war, der den Gatten im Zweikampf erschlug. Noch ppe_135.024
eine stärkere Steigerung ist möglich, wenn der zweite Mann mit der ppe_135.025
Schuld feigen Meuchelmordes belastet ist und die Witwe trotzdem ppe_135.026
ihm zufällt, wie es bei der Anna in Shakespeares "Richard III." der ppe_135.027
Fall ist. Das Problem aber ist gemäß den Charakteren jedesmal ein ppe_135.028
anderes: bei Petronius ein satirisches Beispiel für die Untreue der ppe_135.029
Weiber, in den mittelalterlichen Ritterromanen ein Zeugnis für die ppe_135.030
Wundermacht der Liebe, bei Shakespeare ein Triumph männlicher ppe_135.031
Unwiderstehlichkeit gegenüber dem schwachen Weib. Im ersten Fall ppe_135.032
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zwischen Treue und Begierde gelöst wird, der Kern der ganzen Fabel; ppe_135.034
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einem anderen Problem, nämlich dem Konflikt des Ritters zwischen ppe_135.036
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aber gehören Situation und Motiv der Liebesüberredung nicht zur ppe_135.038
eigentlichen Fabel, sondern bilden nur Mittel zu ihrer Exposition.

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Es fehlt schließlich nicht an weiteren Steigerungsmöglichkeiten: ppe_135.040
die treulose Frau weiß nicht nur oder ahnt wenigstens, daß es der ppe_135.041
Mörder des Gatten ist, dem sie die Hand reicht, sondern sie ist selbst

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Mathias Bruck“.

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Zitationshilfe: Petersen, Julius: Die Wissenschaft von der Dichtung. System und Methodenlehre der Literaturwissenschaft. 2. Auflage. Berlin, 1944, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/petersen_poetik_1944/159>, abgerufen am 21.11.2024.