ppe_147.001 Macbeths, und ihre Prophezeiung wird nun zum anstoßgebenden ppe_147.002 Leitmotiv seines bewußten Handelns als unvermeidlicher ppe_147.003 Folge seines Charakters.
ppe_147.004 Schon Aristoteles hatte, indem er die Frage aufwarf, ob Fabel oder ppe_147.005 Charaktere das Wesentliche in der Tragödie seien, die Verschiedenheit ppe_147.006 der beiden Wege angedeutet. Eine mittlere Linie zwischen den ppe_147.007 beiden Polen zu suchen und die Vorteile sowohl der konzentrierten ppe_147.008 Fabel als der beweglich vorwärtsschreitenden Charakterentwicklung ppe_147.009 wahrzunehmen, machte sich die deutsche Klassik zur Aufgabe. In ppe_147.010 Schillers "Wallenstein" ist nicht nur der Schicksalsgedanke zweideutig, ppe_147.011 je nach der Auffassung des Realisten und des Idealisten; auch die ppe_147.012 Technik lehnt sich an beide Seiten an und setzt sich zum Ziel das ppe_147.013 Programm, das um die Jahrhundertwende in dem Gedicht "An ppe_147.014 Goethe, als er Voltaires Mahomet auf die Bühne brachte" kundgetan ppe_147.015 wurde: auf der Spur des Griechen und des Briten dem besseren Ruhme ppe_147.016 nachzuschreiten. Nicht minder deutlich ist die Doppelrichtung in ppe_147.017 "Maria Stuart" und "Braut von Messina", und am klarsten geht die ppe_147.018 Absicht, den Reiz analytischer Enthüllung einer dunklen Vorgeschichte ppe_147.019 mit vorwärtsdringendem charaktermäßigen Handeln zu verbinden, aus ppe_147.020 den Entwürfen zum "Demetrius" hervor.
ppe_147.021 Die "Technik des Dramas", die Gustav Freytag dem Werk der ppe_147.022 deutschen Klassik auf den Leib zugeschnitten hat, hält sich in den ppe_147.023 Fragen des Aufbaus und der Handlungsführung fast ausschließlich ppe_147.024 an den Kanon einer tektonischen Gliederung, deren Pyramidenform ppe_147.025 die steigende Handlung bis zum Höhepunkt des dritten Aktes emporführt ppe_147.026 und ihr die gleiche Strecke für den Absturz bis zur Katastrophe ppe_147.027 einräumt, wobei die Führung zwischen Spiel und Gegenspiel wechselt. ppe_147.028 Dieser geschlossenen Form steht aber, wie man in Übertragung der ppe_147.029 Wölfflinschen Kunstgeschichtlichen Grundbegriffe erkannt hat, als ppe_147.030 gleichwertige künstlerische Möglichkeit eine offene Kompositionsweise ppe_147.031 gegenüber. Richtet sich der harmonische Aufbau ebenmäßiger ppe_147.032 Symmetrie nach Mustern der Architektur und Plastik, so kann eine ppe_147.033 atektonische Struktur bei malerischer Komposition und beim thematischen ppe_147.034 Aufbau musikalischer Sätze in Sonate und Symphonie ihr ppe_147.035 Gegenstück finden. So hat Heinrich von Kleist, der die Unterwerfung ppe_147.036 der Dichtung unter musikalische Gesetze als seine große Entdeckung ppe_147.037 im Reich der Kunst ansah, die Szenenfolge der "Penthesilea" ohne ppe_147.038 fünfteilige Aktgliederung in thematischer Steigerung sich abspielen ppe_147.039 lassen. Zwar kann auch in der offenen Form eine sichtbare Symmetrie ppe_147.040 des Aufbaus walten wie in der Stationstechnik von Strindbergs ppe_147.041 "Nach Damaskus", aber dann sind ursächliche Verkettung und Dynamik
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Petersen, Julius: Die Wissenschaft von der Dichtung. System und Methodenlehre der Literaturwissenschaft. 2. Auflage. Berlin, 1944, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/petersen_poetik_1944/171>, abgerufen am 21.11.2024.
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